Es wieder soweit: mir platzt der Kopf - alles zu viel. Zwölf Stunden gearbeitet. Morgen dasselbe Programm, Donnerstag auch, Freitag vielleicht nicht, aber Samstag dann wieder auf jeden Fall. So viel Arbeit für so wenig Geld, und schlimmer noch: so viel Arbeit mit sovielen Idioten. Menschen die einem Leid tun sollten. Weil sie ihre eigene Unstimmigkeit am Job auslassen. Diese Machtgeilheit um irgendein Defizit auszugleichen. Und dabei sind sie nicht mal gut. Ich kotze immer mehr in diesem Saftladen. Ich will da weg. Ich habe keine Lust mehr auf großes Unternehmen, auf Zuständigkeiten und eine sich selbst verschlimmernde Unternehmenskultur. Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an.
Dachte ich vor ein paar Tagen noch, wie gut mir der Urlaub tat, wie gut es mir tat mit ihr soviel Zeit zu verbringen, zu lieben und geliebt zu werden, wie mich das wieder auf die Füße gebracht hat, wie ich wieder festen Boden unter mir spüre, wie ich wieder das Gefühl habe, alles in Griff zu haben und auch mit mir wieder glücklich sein kann. Eigentlich ist alles gut, ich brauche anscheinend nur wirklich einen neuen Job. Aber wo? Ich schreibe keine Bewerbungen. Ich sehe Stellenanzeigen, auch interessante Jobs, finde Promotionsstellen die zu mir passen könnten, aber dann ist das eine zu weit weg und beim anderen ist es dann doch wieder ein Großunternehmen. Und bei den noch anderen, ist mir klar: da habe ich eh keine Chance.
Habe heute einen Vortrag gehört. Ich höre viele Vorträge. Jobbedingt. Meistens geht es um Motivation und was man wie erreichen kann, stets vorgestellt anhand des Redners Lebenslauf. Heute wieder. Er ist ein Jahr jünger als ich. Er ist erfolgreich. Er hatte ein paar Mal Glück im Unglück, sicherlich, aber er hat auch hart gearbeitet. Mir wird klar: ich habe noch nie hart gearbeitet. Ich habe irgendwie Abi gemacht und ich habe irgendwie ein Studium abgeschlossen. Ich habe mich nicht so sehr bemüht dass mir eine Stelle in der Uni als studentische Hilfskraft angeboten wurde. Klar, ich habe Praktika gemacht, Gute auch, und wurde stets übernommen als stud. Mitarbeiterin, aber ich habe mich nie in irgendwas so sehr reingehangen, dass ich irgendwas erreicht hätte. Ich kann auch nichts wirklich richtig gut. Kein Instrument, keine bestimmte Sportart, keine Sprache. Sicherlich spiele ich einige Instrumte anhörlich und sicherlich kann ich mal eben zehn km joggen oder gezielt ein paar Muskeln trainieren, und genauso kann ich auch in zwei drei Fremdsprachen ne Runde quatschen, aber wirklich gut kann ich von alledem nichts. Ich habe schon mal darüber nachgedacht woran das liegen mag. Haben mir meine Eltern keinen Biss mitgegeben? Habe ich nicht gelernt zu üben, dranzubleiben, weiterzumachen so lange bis irgendwas richtig gut läuft? Mit Misserfolgen umzugehen? Ich glaube dafür war einfach keine Zeit und keine Kraft da. Zu viel andere familiäre Herausforderungen.
Aber ich kenne auch meine Kompetenzen, das, was mir mit in die Wiege gelegt wurde. Ich bin repräsentativ. Ich weiß nicht mit wie vielen Menschen ich heute gesmalltalked habe (das ist mein Job - Vertrieb halt!) - fünfzig, vielleicht auch mehr, aber ich bin mir sicher, jeder von denen würde diesen Text hier nicht mir zuordnen. Von außen betrachtet bin ich super. So hübsch und so nett und freundlich, nie muss man sich in meiner Gegenwart platzlos fühlen. Ich beziehe jeden ins Gespräch mit ein und jeder kann sich willkommen fühlen.
Neulich hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Ich kam vom Laufen, war im Endspurt, hörte Radio mit Stöpeln im Ohr, die letzten zwei km. Eine Großmutter mit ihrer Enkeltochter ging in meine Richtung. Das kleine Mädchen sah mich, in meiner engen Läufterhotpants mit meinen für meine Körpergröße langen trainierten Beinen, die lockigen Haar hochgesteckt, durchgeschwitzt und lief mit. Ich hörte die Großmutter sagen, ja läuftst du mit, ich zog mir die Stöpseln aus dem Ohr, schaute laufend zu dem nun neben mir laufendem kl Mädchen, sie lachte und ich spornte sie an, für hundert Meter, ja klasse, du läufst mit, jetzt noch, der steige Berg, schaffst du das, ja, ja, und oben auf dem Berg riss ich die Arme hoch und jubelte. Und sie jubelte mit. Ich winkte und lief weiter. Ja, kleine Mädchen wollen sein wie ich, wenn sie groß sind.
Ich erinnere mich an eine Situation vor Jaaahren, ach, bestimmt zehn Jahre her, wenn nicht noch länger. Meine Mutter und ich waren in der Stadt shoppen oder so. Eine andere Mutter ging mit ihrer Tochter vorbei. Meine Mutter sagte: die hat gerade zu iherer Mutter gesagt, dass sie so Haare wie du haben willst. Meine Mutter konnte mir mitgeben, dass ich nicht schlecht bin, konnte mir Zuversicht mitteilen. Leider nur selten. Sie musste schon in andere so viel Liebe und Zuversicht stecken, da blieb nicht mehr viel für mich. Ich weiß, sie kann es jetzt, und ich weiß auch, sie hat alle letzten Kraftreserven stets in mich investiert. Was würde ich darum geben sie jetzt weinend anrufen zu können und mit ihr zu sprechen. Ihr von der ganzen Scheiße in der Firma zu erzählen und dann von ihr zu hören, dass ich Ruhe bewahren soll, weil sie sich sicher ist, dass es für mich auch noch einen anderen Job gibt, und dann hätte sie bestimmt auch direkt eine Idee, bei wem aus meinem Netzwerk ich ja mal wieder anfragen könnte, ob da nicht was geht, jobtechnisch. Aber ich kann sie nicht anzufen, denn es würde ihr das Herz brechen, denn sie würde das alles sagen wollen, könnte aber nicht. Scheiß Alzheimer. Was soll das. Sie ist dankbar. Für jede Minute die ich mit ihr verbringe, für jede Umarmung. So wie ich. Vielleicht auch genau deswegen wertvoll.
Abgeschweift. Schön wenn man keinen Anspruch an "gut geschriebene" Stories oder Followerzahlen hat ;-) Ich mach das doch alles nur zum festhalten. Wollte noch schreiben, dass ich zwar kein Profi in einer Sport, -Musik oder- Sprachsparte bin, aber dass ich all dies mit ganzem Herzen mache. Ich warte nur noch auf dem Moment, in dem mir genau zum Vorteil wird.