Heute bin ich mal wieder im Büro ausgerastet.
(Wie schön billig liest sich dieser Satz ;-)
Tränen in den Augen, mit den Füßen auf den Boden stampfend, Chef anschreiend. Wäre ich zehn Jahre jünger, hätte ich meinen Kopf auf den Schreibtisch geschlagen, aber man wird ja älter, man wird ja erfahren. Man weiß irgendwann, dass das dem Kopf nicht gut tut. [...].
Chef blieb zu cool für meinen Geschmack. Er ist verheiratet, und man munkelt er buche es ab unter Hormone/Frauen und statt mir irgendwas Nettes, was Wertschätzendes zu sagen, wie "Ja, alles scheiße diese Woche, aber Freitag Abend, wenn alles läuft, trinken wir uns schön einen" oder auch "ja, alles scheiße, aber komm, Sie wissen doch, ab nächster Woche wirds wieder ruhiger, dann machen Sie schön ein paar Mal nachmittags Feierabend", nein, er sagt stattdessen: "Wir sind nicht unterbesetzt". Ich hätte antworten sollen: nein, aber ich bin unterbezahlt. Aber das habe ich nciht mehr hinbekommen, ich war schon im Wahn, in meinem Gehirn waren schon die Botenstoffe zum Ausrasten ausgesandt. Das ist echt so mit Wut, ich habe mal was dazu gelesen, wenn irgendwelche bestimmte Botenstoffe im Gehirn losgehen kann man diese nicht mehr stoppen, das dauert dann so ca. 15 Min bis das wieder abgebaut ist. Das tickte in meinem Gehirn und die bösen Hormone freuten sich über ein Mitspielen, wurden schön getriggert, hatten ihre passende Plattform gefunden. Aber wir haben gelernt: bei pms hilft Bier. Und bei sechzig Stunden Wochen auch. Mach mal gerade noch eins auf.
Selbstverständlich habe ich gegen halb acht im letzten Termin nochmal alles gegeben und selbstverständlich wurde auch dieser erfolgreich. Es ist mittlerweile schon ekelig wie Profi ich meinem überzeugenden Lächeln bin. Vertriebsschlampe.
Chef schenke mir heute übrigens zwischendurch Schokolade, worauf ich nur ein "und fett werden soll ich auch noch" antworten konnte. Verletzte ihn, weil seine Strategie nicht ankam, aber sry Chef, ich gehöre nicht zu den fetten frustrierten Bürotussis die sie so ködern können. Trotzdem danke (habe beide Riegel sofort verspeist---------*Bitch) Letzten Endes mag ich den Chef.
Nach über zwölf Stunden arbeiten fahre ich nach Hause und besuche spontan meine Eltern. Ich gebe mir ja sonst nichts. Je kränker meine Mutter wird desto besser verstehe ich mich mit meinem Vater. Desto mehr geben wir uns gegenseitig. Er erzählt mir (gefiltert) von seinem Wochenende in München, meine Mutter hört meine Stimme, spürt meine Berührungen, umarmt mich mit den Worten, ob sie mich noch habe und kenne. Und wir umarmen uns minutenlang. Ich habe Angst vor dem Moment, in dem das nicht mehr geht, weil sie mich nicht mehr kennt und keine Nähe mehr zulässt. Aber seien wir ehrlich: sie wird mich bis zum Ende kennen. Ich glaube in ihrem Leben bin ich ihre einzige Verbündete.
Wir, mein Vater und ich, wuppen den ganzen Alzheinerscheiß glaub ich ganz gut. Die Pflege eines Alzheimererkrankten ist so unendlich intim...Mein Vater und ich können darüber sprechen. Ich erspare Ihnen Details....Letztes Endes glaube ich, das was jetzt ist, zwischen meinen Eltern und mir, zwischen ihnen, zwischen jedem von ihnen mit mir, letztes Endes ist es glaube ich, dass genau dieses Gefühl, der Umgang miteinander, diese Liebe, das ist was sie sich damals geschworen haben, damals, Ende der sechziger. Als sie die Träume für das Leben hatten, was sie gemeinsam erleben wollten.
Tränen laufen, denn ich weiß, ich bin der einzige lebende Beweis dafür. Für den jahrelangen Streit mit meiner Schwester hat mein Vater heute dem Rechtsanwalt alles übergeben. Und ich weiß, es tut ihm weh, aber er kann nicht mehr. Er ist am Ende, steht vor dem Trümmerhaufen seines Lebens.
Mit meinem Auto ist was nicht okay. Man kann diesen Stab zum Ölstand kontrollieren nicht mehr rausziehen. Ist irgendwie festgesetzt. Ich solle einen Termin in der Werkstatt machen, sagt mein Vater, aber halb so wild, der Wagen braucht nicht viel Öl, ich kann ruhig damit am We die sechshundert km abreißen und er freut sich, wie schön ich den Wagen äußerlich pflege. Und insgeheim tut es ihm vielleicht weh, dass da kein Mann an meiner Seite ist, der zwischendurch mal den Ölstand und Reifendruck misst. Ich habe für morgen eine Aushilfe drauf angesetzt. Der wird das schon klären.
Alles tut weh, alles zu viel. Und dennoch erfreue ich mich an den Umarmungen meiner Mutter, meines Vater, den Anrufen der Freundinnen, der Sonne zwischen den dunklen Wolken, an einem guten Lied, an guter Musik und letzten Endes an Hopfen und Malz.
In Schleife: Nine Inch Nails - Right where it belongs
overloaded am 21. September 11
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