Ich hätte im Strahl kotzen können als der Chef mir heute nachmittag mitteilte, dass ich nun doch seinen Abendtermin am Arsch der Welt bitte wahrnehmen soll. Gestern hat er noch groß rumposaunt er würde hinfahren. Ich habe kein Problem damit Abends Termine abzureißen, aber ich finde es so ätzend wenn sowas spontan kommt. Ich habe einen auf angkotzt gemacht und bin dann einfach um vier abgehauen. Erst mal nach Hause. Erst mal abhängen, erst mal spülen, erst mal einen Tee trinken, erst mal checken dass ich ja doch noch Milch habe und nicht mehr einkaufen muss, erst mal Zähneputzen, erst mal Haare zusammen binden, erst mal in Schale werfen. Später dann losgefahren, linke Spur, Vollgas zum Arsch der Welt. Dort angekommen festgestellt, dass meine Schlüssel nicht passen. In eine fremde Besprechung reingeplatzt um mir einen anderen Schlüssel zu besorgen. Von dem Chef dort. Termin mehr schlecht als recht abgewickelt, schätze aber dennoch es wird Tinte für gut fünf T. Immerhin, besser als nichts, und er selbst hätte da auch nicht mehr rausgeholt, wahrscheinlich sogar weniger. Nun denn.
Gefreut habe ich mich über die netten Begegnungen dort heute. "Oh, schön Sie zu sehen, wir kennen uns ja nur vom Telefon, ich freue mich jetzt ein Gesicht dazu zu kennen", "Hallo Frau sowieso! Das ist ja eine Überraschung! Sehen wir uns bei der Feier nächste Woche?", "Ach Sie sind heute auch hier! Ja hätte ich das gewusst! Ich hätte Blumen mitgebracht!"
"Wie geht es dir, du siehst gestresst aus. Ist alles ok?", fragt er besorgt während er mir die Tür aufschließt, in dessen Schloss mein Schlüssel plötzlich nicht mehr passt. Ich kann auf Knopfdruck strahlen, nur wer genau hinsieht kann erkennen wenn ich leide. Ich wimmel ab: falsche Frage, danke fürs Aufschließen. Ich ziehe mir innerhalb fünf Minuten die Präsi rein die ich gleich halten soll, breche dann aber irgendwann ab weil ich ja mittlerweile eh schon von mir weiß, dass ich auch hervorragend Präsentationen halten kann, die ich nicht kenne. Ich kann das sogar wenn die Präsentation aus technischen Mängeln nicht läuft. War nicht immer so, aber man wird halt Profi. Eine Minute vor dem Termin gehe ich kurz vor die Tür, er steht da, rauchend, bietet mir eine Zigarette an. Ich habe keine Zeit mehr, versichere aber den Termin schnell abzuhandeln und in spätestens einer Stunde fertig zu sein.
So, jetzt endlich Feierabend, fragt er und packt auch seine Sachen zusammen. Warte, ich komme mit, fügt er hinzu. Ich lasse die Tür einfach offen denn mein Schlüssel passt ja eh nicht und beginne vorsichtig die Treppen hinab zu steigen. Der Fuß schmerzt, ich kann kaum auftreten. Fast draußen hat er mich eingeholt. Ob ich jetzt ohne ihn gehen wolle, plötzlich sei ich weggewesen. Nein nein, bin noch da, können noch zusammen eine rauchen. Leider rauchen wir nicht alleine. Die Frau vom quasihausmeister steht auch dort, raucht auf, bleibt aber stehen. Und will sich mit uns unterhalten. Ich bin ja eh schon angenervt und jetzt fast noch mehr denn ich will diesen Chefmann von dem Laden ein paar Minuten für mich. Ich lasse mir natürlich nichts anmerken und als ich bemerke dass sie nach ihrer Zigarette nicht reingehen sondern sich mit uns unterhalten will, integriere ich sie ins Gespräch. Sie ist sehr freundlich (immer, der Quasihausmeister auch) und interessiert. Wir sprechen über Kunst. Noch bevor mein müder Kopf es schafft mir Angst zu machen dass die Situation jetzt eskalieren könnte, weil der Chefmann eigentlich auch lieber mit mir alleine Zeit verbracht hätte und er vielleicht wie die anderen Kollegen dort abwertend mit dieser Frau vom Quasihausmeister sprechen könnte und noch bevor mein müder Kopf mir wieder sagt dass er doch ein arroganter Schnösel ist der nur baggern will weil er - wie mir schon aus sicherer Quelle nahegelegt wurde und ich beim Blick auf seine ringlose Hand sehen konnte - auch noch Single ist ("Nimm den! Der ist süß, der sucht!" - kotz), passiert das Unglaubliche: er integriert sie ins Gespräch genauso wie ich, wertschätzt ihre Aussagen, ist nett und freundlich. Ich bin baff. In dem Saftladen in dem ich arbeite ist neben vielem anderen Mist in der Unternehmenskultur (natürlich unausgesprochen) verankert: mit allem was unter einem steht geht man auf gar keinen Fall nett um. Generell: Wertschätzung gibt es nicht, und schon gar nicht nach unten. Ich hasse den Laden dafür und ich ecke an weil ich anders handel. Natürlich werde ich dafür angegriffen. Es ist zum Kotzen.
Dieser Chefmann gehört aber nicht zu dem Saftladen für den ich arbeite. Komplizierte Verbindung, unwichtig. Jedenfalls ist er einer von dem man beim ersten Erscheinungsbild genau eine solche ätzende Haltung erwarten würde. Und auch ich habe ihn eine solche Schublade gesteckt. Mein Chef versteht sich nicht wirklich mit ihm und ich habe mich immer gefragt warum. Eigentlich beides kleine Männer, also kein Potenzproblem oder sowas was da zwischen Männern abgeht. In der Situation heute da vorm Gebäude mit der Frau vom Quasihausmeister rauchend, er als Oberchef, ich als wichtige Person aus sowieso vom Unternehmen sowieso dabei, wir drei über Kunst redend, da wurde mir klar was das Problem von meinem Chef mit ihm ist: er ist authentisch.
Wo hast du geparkt fragt er als er mich schon auf dem Weg in die Tiefgarage begleitet. Da unten, antworte ich als ich die nächsten Treppen vorsichtig runtersteige. Wir stehen in der Tiefgarage und unterhalten uns über meinen und über seinen Saftladen, die Stimmung ist vertraulich. Nach zehn Minuten kann ich nciht mehr rumstehen da ich gefühlte eine Mio Sachen in der Hand habe. Ich frage mich in welches Auto er steigt. Schaue mir die Autos die da in der Nähe stehen an. Wo stehst du? Ach da hinten, ich parke immer da hinten, nicht hier in der Tiefgarage, ich wollte dich nur begleiten.
Die Frau vom Quasihausmeister hat da alles gecheckt, bin ich mir sicher.
overloaded am 18. Oktober 12
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