Freitag, 3. Mai 2013
Was würde ich jetzt für ein Telefonat mit meiner Mutter geben! Ganz realistisch gesehen: sie wäre jetzt eh nicht mehr wach. Sie ging oft früh ins Bett. Vllt um wenigstens ausgeschlafen zu sein, um Kräfte zu sammeln. Aber ich würde mit ihr die Urlaubsproblematik besprechen und ich überlege, was sie sagen würde. Die Freundin aus F zu treffen fände sie gut, auf der Trauminsel zu entspannen aber auch. Letzten Endes würde sie wahrscheinlich den Trip auf die Trauminsel favorisieren und die Neuaufnahme des Kontakts mit der Freundin aus F unter "jetzt habt ihr erst mal wieder Kontakt, da kannst du ja noch später im Jahr hinfahren oder sie einladen" abbuchen. Du brauchst jetzt erst mal richtig Erholung, würde sie sagen. Aber zunächst, würde sie in ihrem bestimmenden Ton hinzfügen, schreibst du die Bewerbung auf die tolle Stelle, die Bewerbung geht nächste Woche raus, haben wir uns verstanden? Und vor dem Trip zur Lieblingsinsel würde sie mir Taschengeld zustecken. Oder eher noch eine Runde Sommer-klamotten-shoppen ("Sowas leichtes wie so ein Kleid brauchst du da im Süden") und Drogeriemarktgroßeinkauf. Sie war nicht so der Bargeldgeber. Bargeldgeber ist eher mein Vater. Passt aber jetzt auch gut. (Kopfkino wie er mich zum Flughafen bringt und mir dort ein paar dicke Scheine zusteckt).



Wenn es mir besser geht, dann lache ich laut über mich selbst, dann freue ich mich über mich, ganz einfach auch ganz alleine. Dann packe ich in meine dicke Lockenpracht und mag mich. Dann freue ich mich über einen guten Schluckst-du-tweet* von mir, lege gute Musik rein, gute non-depri Musik, dann schwingt jeder Schritt von mir durch meine Wohnung tanzend, dann spüre ich nur noch Muskeln und kein Fett, dann weiß ich, dass alles gut ist, dann schätze ich einen nervigen Anruf von meinem Vater, dann weiß ich, dass es Menschen gibt die mich lieben, dann kann ich mich gut riechen, dann sehe ich nicht die verwelkten sondern die seit Anfang April blühenden Blumen, dann schätze ich mich und mein Leben, dann weiß ich, dass alles seine Zeit hat und das alles gut war, gut ist und gut wird.

Es ist gut, dass es auch solche Zeiten gibt. Nicht nur gut, sondern lebenswichtig. Überlebenswichtig.


* "Schluckt du?" - "Ja, aber nur weil es keine Kohlenhydrate sind"



Die Urlaubsproblematik herrscht gerade vor. Zur Trauminsel bekomme ich kaum noch ein zahlbares Angebot - ich könnte jetzt buchen für eins drei, elf Tage, einfaches Hotel. Ich frage mich, ob das vertretbar ist. Ich rechne mit drei hundert Taschengeld und komme auf genau die Summe, die ich gespart habe. Steuern von zwei Jahren und die rückwirkende Zahlung der Fortbildung durch die Firma (die schleimen sich gerade bei mir ein) sind noch offen. Das alles gibt nochmal ein, zweitausend. Und ich könnte die Hälfte des Urlaubs locker aus dem normalen Einkommen zahlen - summasumarum könnte ich mir den Urlaub also schon leisten. Aber ist irgendwie heavy, eins drei für elf Tage. Naja, ich schlafe eine Nacht drüber. Hoffe nur das Angebot ist dann nicht schon weg. Die Trauminsel ist einfach klein und schnell ausgebucht. Das Hotel liegt nicht in dem (einzigen) Ort, in dem abends was los ist, aber andererseits: ich bin auch letztes Jahr nicht alleine in einen der tollen Clubs nachts zum Tanzen gegangen. Das geht da alles immer so spät los, da schlafe ich dann schon. Das Hotel liegt an einer anderen Küste, auch etwas entfernt von den absoluten Traumstränden (wobei auf der Insel alle Strände eins a sind). Vorteil wäre eine perfekte Laufstrecke direkt am Hotel und am Strand. Die Strecke ist der Knaller. Sie verläuft einige km direkt zwischen Dünen und Strand. Meine Lieblingsstrandbars wären auch alle fußläufig erreichbar. Zu den Traumstränden könnte ich wandern oder mit dem Fahrrad fahren, bei wandern mit dem Taxi zurück. Die Insel ist halt so klein, dass keine Taxifahrt mehr als zwanzig Euro kostet. Tippe Weg zum Partyort auf fünfzehn Euro. Aber dort fahre ich auch per Anhalter. Ach, vllt sollte ich doch einfach direkt schnell buchen.

Ich habe mir aber auch schon Alternativen überlegt. Mit dem Auto losfahren (solange es noch fährt). Richtung Süden, ein bißchen an die Mosel, ein bißchen treiben lassen. Serendipity. Die alte Freundin aus Frankreich hat sich gemeldet. Einfach losfahren Richtung Süden, dann irgendwann Richtung Westen abbiegen und auf der Route Soleil weiter gen Süden fahren. Das Auto ist so riesig, ich könnte einfach drin übernachten. Und dann denke ich mir: ich bin viel zu fertig für sowas. Und tut mir das überhaupt gut stundenlang alleine im Auto zu sitzen? Ich könnte mir das einfach leisten so drauf loszufahren und einfach zu übernachten wo ich möchte - finanziell passt das schon. Und klar hört es sich cool an und klar ist das zurzeit mit dem Auto einfach auch gut möglich (wer weiß wann ich wieder ein so geräumiges Auto fahren werde). Aber irgendwie...naja...an der Mosel würde ich einen Abstecher beim Winzer des Vertrauens meines Vaters machen, würde dort wie ein Ferienkind einfach aufgenommen und verwöhnt werden, könnte mir deren kleinen Hund ausleihen und mit ihm stundenlang wandern gehen. Und ich habe auch noch nicht viel von Deutschland gesehen. Aber vllt ist das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für sowas. Ich glaube ich muss einfach auf die Lieblingsinsel und mich dort treiben lassen....da wo ich mich auskenne, da wo ich die Locations kenne, an denen ich mich wohl fühle und entspannen kann.



Die Wogen haben sich wieder geglättet. Vorsichtig. Am Wochenende lage ich komplett ausgeknockt nur im Bett. Der Zustand war nicht mehr feierlich. Kleiner weiterer nächster Nervenzusammenbruch am Dienstag abend als ich die Firma verließ (ganz üble abteilungsübergreifende miese Aktion gegen mich) und als ich mich dann später doch noch zum Tanz in den Mai aufgerafft habe, sah ich den Ex-Nerd schön verliebt mit seiner neuen Perle, wahrscheinlich. Ich habe einfach die Location gewechselt und konnte dann später doch noch tanzen, als gäbe es kein morgen.

Ich habe eine interessante Stelle in der Zeitung gelesen und werde mich bewerben. Bißchen weiter weg, erst mal Pendeln aber möglich. Mehr Gehalt. Unbefristet. Die Stelle ist wie auf mich zugeschnitten.

Meine Mutter hat mich gestern erkannt. Oder vielmehr erspürt. Ich nahm sie in den Arm, schmuste meine Wange an ihre und flüsterte ihr was zu. Irgendwann nahm ich meinen Kopf zurück, schaute sie an, ihre Augen waren geschlossen als würde sie genißen. Ich frage: tut das gut? Sie antwortete mit einem "hmh". Mehr gibt es nicht mehr. Schon seit Wochen.

Morgen frei.