Eine Freundin ruft an, die Mutter einer Freundin sei auch an Alzheimer erkrankt und ob ich ihr per Mail ein paar Infos über Beratungsstellen etc schicken könnte. Ich biete mich direkt zum Gespräch an. Alles andere kann man ja googeln.
Kurz vor dem Anruf, ich war bei meinen Eltern, fiel mir noch ein, dass ich mich mittlerweile schon an den Zustand meiner Mutter gewöhnt habe. Gar nicht mal negativ. Ihre Umarmungen sind Balsam für meine Seele und wir haben im Laufe der letzten Jahre eine andere Art der Mutter-Tochter-Beziehung für uns entwickelt und gefunden. Ich pflege sie und sie erkennt mich. Der Rest ist das Gefühl von Liebe. Die Beziehung zwischen uns ist so klar. Keine Streiterein, keine Diskussionen, keine Verletzungen, kein Neid, keine Beleidigungen. So Sachen höre ich von Freundinnen. Beleidungen weil man nicht den ganzen Geburtstag bei Mutter verbringt, weil man da und da nicht mit hinkommt. Weil man den Vater angeblich zu sehr aufwertet. Aber natürlich höre ich auch von (anderen) Freundinnen, wie sie mit ihrer Mutter shoppen gehen, wie gut diese Klamotten passen, am Körper und zu allem anderen im Kleiderschrank. Oh ja, Mütter können sowas. Ich erinnere mich noch gut. Und ich höre, einer zerbricht das Herz, weinend am Telefon erzählt sie dass sie jetzt erst mal zu ihrer Mutter fährt, sie bräuche jetzt die Nähe ihrer Mutter. Oh ja, auch an die Mutterliebe bei gebrochenem Herzen erinnere ich mich gut. Meine Mutter hatte nie viel Zeit für mich, da waren zu viele andere Herausforderungen, aber wenn es hart auf hart kam, war sie für mich da und sie war gut darin.
Ja, ich erinnere mich an alles. Und es fließen auch Tränen zu diesen Erinnerungen. Aber es ist mittlerweile ok. Es ist als sei alles zwischen uns nur noch auf das Wesentliche runtergebrochen. Wahre Mutterliebe. Und dann denke ich: das ist mehr Gold wert als endgeile Klamotten shoppen und geschenkt bekommen, zusammen Männer anflirten, Witze erzählen und totlachen, stundenlang telefonieren und reden, Herz ausschütten und Ratschläge einsammeln, Rechnungen bezahlt bekommen, zum Frisuer oder Kosmetikerin eingeladen werden, zusammen Verwandte besuchen und beschenken, durchdenken wer nach dem ganzen Sekt jetzt noch fahren kann, auf Grönemeyerkonzerten abrocken, sich gegenseitig beim putzen, bügeln und aufräumen helfen, stundenlang im teuren Restaurant alles durchprobieren oder im Café Leute beobachten und lästern.
Das Leben hat mich ganz schön hart gemacht.
overloaded am 22. Juli 11
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