Die Runde ist gesellig, ich trinke ein zwei Bierchen und denke dann scharf nach, ob ich weitertrinke oder mit meinem Auto noch nach Hause fahre. Ich sehe die Option dort zu übernachten, stelle mir kurz vor beim Lieblingskollegen im Arm einzuschlafen, mag aber dann doch nicht dieses Risiko einzugehen, dass der Abend nicht so, sondern im Taxi endet, und ich das Auto morgen abholen muss, traue mich nicht dieses Risiko einzugehen und höre auf zu trinken. Aber ich bleibe sitzen. Mein Chef setzt sich zu mir. Wir reden zu dritt, nicht mit dem Lieblingskollegen aber einem anderen netten quasi-Kollegen, es ist nett, es macht Spaß, Cheffi an meiner Seite, der Dritte hält eh viel von mir aber als er mir was Hinterlistiges unterstellen will, legt Cheffi seine Hand auf mein Bein und sagt ihm, dass ich das wirklich so nicht gemeint hätte. Kann ich jetzt alles so en Detail nicht beschreiben, aber es war schön. Zwischendurch huschen Gedanken durch meinen Kopf wie es meiner Mutter jetzt in diesem Augenblick wohl geht. Es mischt sich wieder diese Angst drunter, dass sie sich schrecklich einsam und alleine fühlt, da in der Klinik, wo sie seit heute ist, ohne vertraute Personen. Ich verdränge um nicht schlecht drauf zu kommen. Ich schiele zur Uhr. Fast eins. Ich muss gehen. Der Abend wird zu spät, der Abend wird nüchtern zu spät. In meinem Hinterkopf rechnet sich eine Stunde drauf von zu Hause sein und vorm ins Bett gehen, um noch den entsprechenden Betäubungspegel zu erreichen. Aber der Abend ist so schön, macht so viel Spaß. Das nächste Angstgefühlt steigt auf: nach diesem schönen Abend alleine zu Hause ins Bett. Kurz nochmal der Gedanke dort zu bleiben, beim Lieblingskollegen im Arm einzuschlafen. Ich erwähne es kurz ihm gegenüber. Er schaut mich freudig überrascht an, macht aber keine eindeutigen Avancen. Risiko, dass es nicht klappt, weiterhin zu hoch. Die Angst, gleich alleine zu Hause...Am schlimmsten nach einem schönen Abend in wirklich netter Gesellschaft. Ich verdränge weiter schlechte Gefühle und treibe die Kollegin, die ich nach Hause fahren soll oder möchte. Wir gehen. Steigen in mein schönes Auto, ich fahre sie quer durch die Stadt, wir lästern kurz über die Kollegin die über alle lästert, blabla, im Autoradio klicke ich Adele weg, das ist der Herzschmerzsong von dem letzten Typen, das brauche ich jetzt nciht nochmal, blabla, sie steigt aus, tschüss, schönes We, jaja, Kneipentour gerne (wirklich gerne) ein anderes mal, bis nächste Woche, tschüss. Ich fahre quer durch die Innenstadt zurück. Und da ist es plötzlich ganz präsent, mein schlechtes Gefühl. In voller Bandbreite. Ich kann nicht mal mehr Musik wahrnehmen. Alle Schotten dicht, nichts kommt mehr an mich dran. Lenke meine schöne Karre zur Tanke, fahre mit den Taxifahrern Rennen. Jetzt nicht im schlechten Gefühl hängen bleiben, das ist bestimmt gesünder für meinen Kopf. Frage mich, was die Synapsen da jetzt wohl machen, je nachdem ob ich dem schlechten Gefühl jetzt nachgehe oder dagegen ankämpfe. Alles lief so gut an dieses Jahr. Und jetzt? Wieder eine Durststrecke? Wieder ein overload? Ich schaffe doch nicht mehr viele, da ist doch bald Ende.
Und nun sitze ich hier wieder an meinem Küchentisch, Bierchen offen, schreibe, denke mich rein beim schreiben, oder nicht? Keine Tränen bisher, und dabei habe ich das doch jetzt schon eigentlich erwartet: zu Hause, overload, Bier, schreiben, Tränen, fertig. Bin fast erstaunt über meinen irgendwie guten Zustand. Und dabei hat sich der junge nicht gemeldet, meine Fingernägel sind abgebrochen und meine Mutter liegt da ganz alleine, keine fünf km Luftlinie von mir entfernt, in der Psychiatrie.
Ich lass dann mal noch ein trauriges Lied laufen beim letzten Schluck Bier, vielleicht kommen dann die Tränen, vielleicht habe ich mcih dann endlich im schlechten Gefühl wirklich positioniert. Aber: sieht nicht so aus.
Müde. Unendlich müde.
Es ist unglaublich, aber weder volltrunken noch weinend jetzt ins Bett. Gute Nacht. Schönes We. Lache, wenn es nicht zum weinen reicht.