Manchmal sitze ich hier abends in meiner Küche auf meiner Bank und denke: du musst jetzt mal endlich anfangen zu leben. Die Jahre ziehen so vorbei, aber da ist kein Leben. Ich kämpfe mich so durch, durch den Alltag, durch den Kummer und warte darauf, dass es anfängt, mein Leben.




Heute bei der Heimfahrt im Auto an der Ampel schaute ich wer so neben mir steht. Ein Mann rechts neben mir, ein bißchen älter als ich, großen dicken Kombi, auch auf dem Heimweg anscheinend. Links neben mir der, der die ganze Zeit gedrängelt hat. Ich kenne diese Menschen nicht, aber es fühlt sich an, als würden sie leben, als hätten sie ein Leben. Ich nicht. Plötzlich bemerke ich wie auch sie mich anschauen. Und dann schaffe ich es wieder: diesen Blick von außen, mich und mein Leben von außen zu betrachten. Wie sehe ich aus, wie sieht mein Leben von außen betrachtet aus? Coole hübsche Frau da in dem schicken Kombi. Hat bestimmt einen tollen Job und fährt jetzt nach Hause zu einem tollen Mann. Scheint auch coole Musik zu hören. Klar gewinnt sie das Rennen bei grün, und das in einer Attitüde, als würde sie gar kein Rennen fahren. Wow.

Und ich überlege weiter....Klar habe ich schon mal mein Leben gespürt. tbc

Grob unterschieden gibt es zwei Konstellationen in denen ich mich lebend fühle. Das eine ist mit Menschen, das andere ohne.
Ich werde nie die Gerhard Richter Ausstellung vergessen, sie war in Düsseldorf oder Köln, eine sehr gute Ausstellung (ich glaube sie war in ddorf), klasse Bilder, gut inszeniert. Der Knaller war der Raum in dem seine übergroßen Bilder ausgestellt waren. Ich betrat den Raum, sah das riesige Bild rechts, vielleicht noch ein zwei hinter oder neben mir und musste mich zusammenreißen, den Raum nicht wieder zu verlassen, so krass wirkten die Bilder auf mich. Ich mag das, dieses ergriffen sein von Bildern. Es ist ähnlich wie Musik oder besser noch: selbst musizieren. Es geht durch Mark und Bein wie Drogen, aber du bist völlig klar im Kopf. Harald Berenfänger, so ein nlp-coaching-guru hat das mal sehr schön beschrieben. Ich finde das Zitat jetzt nicht auf seinem webblog, ich suche das nochmal raus.
Hier gehört auch hin, dieser eine Moment von dem ich mal erzählt habe, als ich das Geschirr von der Oma von meinem Vater ausgepackt hatte, diesen Karton der dreißig oder noch mehr Jahre ordenlich eingepackt in dem riesigen Haus stand, mit dem Geschirr, welches ich jetzt täglich nutze. Es ist irgenwas mit Wertschätzung, dieses Gefühl des lebendig seins.

Und dann gibt es noch die Menschen mit denen ich mich lebend spüre. Ich denke an die Partys mit dem Nerd-Ex, auf denen wir zusammen getanzt haben, als perfektes Paar, als gäbe es keinen Morgen. Ich erinnere mich besonders gerne an die eine Party...die damals gute Freundin und ihr Freund meinten sie könnten Rock´n Roll tanzen, ich stand da so rum, ließ man mit nem Tütchen verführen, schaute ihnen zu, da kam der Nerd, was denn so ginge bei mir, fragte er, und ich zeigte auf die beiden und sagte: die glauben sie können Rock n Roll tanzen. Der Nerd, eher son Stiller, son Nerd halt, schaute zu den beiden, schaute mich an, Rock´n Roll? Zeig ich denen. Er nahm mich auf die Tanzfläche, wir tanzten, wir waren verliebt, er schmiss mich durch die Luft als hätten wir nie etwas anderes gemacht als Rock´n Roll zu tanzen. Wir gewannen btw auch in der Zeit in der wir zusammen waren jeden Twist Contest. Wir waren das Traumpaar.
(Wieso komme ich eigentlich immer auf den Nerd zurück?)

Es gibt diese Menschen. Klar, meine Mutter. Meine Mutter....Ich hatte ein gute Mutter. Die Situationen in denen ich ihr Verhalten scheiße fand kann ich an einer Hand abzählen. Und damit meine ich unzählige Situationen, über dreißig Jahre lang Situationen, und nur eine paar die echt doof waren. Ich finde das ist eine gute Quote. Da sind andere Menschen mit ihren Müttern deutlich ärmer dran. Aber auch von der Mutter wollte ich jetzt nicht schreiben.

Ach, ich geh ins Bett. Oder poste noch ein Bild von meiner Mutter.