Es tut so weh, es tut so verdammt weh.
Sie kann kaum noch laufen, sitzt nur noch im Rollstuhl, schaut niemanden mehr ins Gesicht. Ich weiß, sie will keinen mehr anschauen, weil sie nicht nicht-erkennen will.
Mein Vater spielt den Zivi. Nach drei Stunden Rollstuhl zu Hause ist er schon der Profi, schafft die Stufe ins Esszimmer und auch die zur Terrasse. Die vier Stufen nach draußen, erklärt er mir fachmännisch, die sind alleine schwierig, da braucht man einen, der gegenhält.
Er geht einkaufen und wir sind alleine. Ich gebe ihr die Tabletten auf einem Löffel mit Marmelade, mache ein Butterbrot, füttere sie, gebe ihr zu trinken, versuche sie aufzumuntern und anzulachen, singe ihr was vor, mache das Radio an, singe und tanze mit, schiebe sie zur Terrasse, traue mich aber nicht die Stufe mit dem Rollstuhl zu überwinden. Sie gibt irgendwie zu verstehen, dass sie weiß dass sie zu Hause ist. Sie versucht mich irgendwie zu fragen, ob sie krank sei. Ich verstehe fast nichts, aber sie äußerst sich auch kaum. Die Augen sind fast die ganze Zeit klein, der kleine Blick richtet sich zum Boden.
Zwei gerade Sätze hat sie gesagt. Ob sie krank sei und später dann, dass es aber sonst ganz gut gehe.
Zwei drei mal fange ich fast an zu weinen, reiße mich aber zusammen. Schmeiße mich in Laufklamotten. Als mein Vater zurück kommt, kurz der Gedanke, jetzt einfach Bier zu trinken und mich fallen zu lassen. Ich gehe einfach direkt, setze mich ins Auto, fahre zum See, laufe zehn km, sprinte die letzten zwei, obwohl mein Knie schon nicht mehr kann und am Ende des Endspurts, treffe ich meine beiden besten Freundinnen, die sich nur durch mich kennen und lasse mich von beiden gleichzeitig in den Arm nehmen. Ich sage ihnen, dass dieser Moment für mich Gold wert ist.
Ich finde es klasse, dass ich es immer wieder schaffe aufzustehen. Von außen betrachtet finde ich es sogar unglaublich. Wow. Respekt.
Und es wird ok sein, wenn ich mich irgendwann, vielleicht noch dieses Jahr, für ein paar Wochen psychisch general überholen lasse. Das hat nichts mit Schwäche zu tun.