Die Sache ist die: mir gehts gut. Alles im Fluß. Wie lebensreich mein Leben ist. Leben gefällt.
Die Story mit dem Spanier wird natürlich noch weitergeschrieben, oder vielleicht kommt auch die ganze Sache mit dem zehn-Jahre-älteren Mann dazwischen, aber jetzt möchte ich erst noch was anderes erzählen. Wen ich heute kennengelernt habe. Susi.
Ich füttere meine Mutter, sie mag das Brot nicht, aber ich habe Rh*ababer aus dem Garten eingekocht und mit Qua*rkfein mitgebracht. Sie isst, sie trinkt, ich lächel den Männern am Nebentisch zu, klinke mich in die smalltalks ein, sonst spricht ja niemand mit denen. Der eine Mann ist traurig, weil seine Frau im Krankenhaus liegt, Frau T wurde wieder nach Hause geholt, Frau W weist Frau weiß-ich-nihct darauf hin, dass sie das Wasser in die Tasse und nicht ein Glas geschüttet hat. Ich fahren Herrn weiß-ich-nicht-irgendwas-mit-G in seinem Rollstuhl in sein Zimmer, weil er es alleine nicht schafft. Wochenende. Eine Pflegekraft für fünfzehn Gäste. Als ich mit Herrn G (oder so) den Flur entlang fahre, sehe ich wie eine junge Frau "eincheckt". Sie sitzt im Rollstuhl, so ein gr Rollstuhl mit eine Mio Funktionen. Herr G hat übrigens nicht so einen gut fahrbaren Rollstuhl wie meine Mutter, bemerke ich. Der Rollstuhl von meiner Mutter ist total leicht und wendig. Ich fahre ihn nie rückwärst bei kl Erhebungen wie Türschwelle sondern einfach immer mit Schwung. Rüttelt meine Mutter kurz durch, aber ich entschuldige mich stets bei ihr, dass ich ja keinen Führerschein dafür habe. Ich schiebe meine Mutter nach dem Essen nach draußen, rauche, erzähle ihr, dass da gerade eine junge Frau angekommen ist und jetzt da alleine an einen Tisch geschoben wurde, und sie mir total leid tut. Irgendwann fahren wir wieder rein (über die Türschwelle mit Schwung) und kommen an der jungen Frau vorbei. Ich begrüße sie freundlich lachend, will weiterfahren, meine Mutter stoppt mich "Wer ist das denn?". Ich fange ein Gespräch mit Susi an. Schwierig, denn ich habe keine Ahnung von Behinderungen, kann Null einschätzen was sie mitbekommt oder wie sie sich äußern kann. Ich quatsche sie einfach an und tue so, als würde ich denken sie verstünde alles. Und so ist es auch. Reiche ihr was zu trinken - Tee ist zu heiß. Ob der Kuchen lecker war. Ein leises, zartes ja. Ich pendel zwischen meine Mutter von Rollstuhl ins Bett hieven und Susi. Stelle die Grenze bzgl. meine Mutter pflegen fest. Schaffe sie nicht vom Rollstuhl ins Bett, weiß sie muss sauber gemacht werden, kann es einfach nicht, bin einfach keine Pflegefachkraft. Einzige Pflegefachkraft kommt vorbei, geht Geschirrspülmaschine einräumen. Ich spreche sie an, sage ihr, dass ich jetzt eine Runde das Küchenmädchen spiele und sie sich bitte um meine Mutter kümmern soll, ich könne es einfach nicht, weil ich nicht die Kompetenzen dazu habe. Spülmasch sei nicht nötig, doch doch, kein Problem, dass kann ich mal eben so machen. Susi, kannst du mit deinem Rollstuhl ein bißchen hier rüber kommen? Dann können wir weiterquatschen und ich räume dabei die Küche auf. Susi kommt. Susi schiebt das Deckchen auf ihrer Ablage am Rollstuhl zurück und zeigt mir eine Buchstabentafel. Und zeigt mir Buchstabenreihenfolgen, erzählt mir auf diese Art und Weise was. Wir quatschen so, sie ist 27, bleibt eine Woche, lebt wohl sonst bei ihrem Vater, Eltern getrennt. Wir lachen. Ich finde ein schönes Papierdeckchen beim Spülmachinentabs suchen in der Küche (so wie Tortenspitze nur in klein), schneide ein Loch in die Mitte und stecke ihre Blume rein - wie ein Blumenstrauß! Kennen sie sich, fragt die Pflegefrau, nein, wir haben uns gerade erst kennengelernt! [unendlich mehr content]
Die Begegnung mit Susi heute war Gold wert. Für uns beide, nehme ich an.
Susi hat mir heute ihre Geschichte erzählt. Sie kommt aus Süddeutschland und lebt dort mit ihrem Vater. Zurzeit ist sie hier weil sie ihre Mutter, Schwester und Bruder besucht. Sie sitzt seit fünf Jahren im Rollstuhl. Irgendwas war passiert als sie schwanger war. Ein Unfall. Die kleine Lena ist jetzt fünf, wohnt bei Susis Exmann. Sie sieht sie selten, wenn ich richtig verstanden habe zweimal im Jahr. Ihr Ex-Mann sei ein Arsch erzählt sie per Buchstabentafel weiter.
Ich sitze hier und heule, überlege was mit der zweiten Karte für das Konzert morgen Abend ist.