Es ist letztendlich immer wieder dieses Gefühl, dass für mich kein Platz auf dieser Welt, in diesem Leben ist. Für alle ist Platz, aber für mich nicht.

Die liebe neue Kollegin erzählt mir vom Wochenende, dass sie in Berlin war, beim Marathon den besten Freund ihrer neuen Liebe mit ihm zusammen anfeuern. Sie erzählt, sie sei zu Tränen gerührt gewesen.
Es gibt eine App mit der man Nachrichten bekommt, wenn der zu Anfeuernde die und die km-Marke durchlaufen hat, man fährt mit der U-Bahn hinterher: Ist er schon vorbei gelaufen? Nein, nein da hinten! Da kommt er! Man läuft mit, man feuert an, die Leute feuern an, auch Fremde, alle feuern an, die den Namen gerade sponatn auffangen, alle, einfach alle, alle rufen plötzlichen den Namen, feuern mit an. Eine unglaubliche Stimmung, erzählt die liebe Kollegin, und plötzlich liefen ihr die Tränen, berichtet sie weiter.
Ich kann es gut nachvollziehen. Sie sitzt neben mir an meinem riesigen Schreibtisch, in meinem riesigen Chefbüro, ich will ihr eigentich was wegen der Exceltabelle, der sql-abfrage erklären. Sie erzählt, immer noch völlig ergriffen von diesem Ereignis, ich fühle mich, höre aufmerksam zu und am Ende ihres Berichts schaue ich sie an, überlege noch was zu sagen, kann aber nicht und schiebe stattdessen meinen Kopf zu ihrem, ganz vorsichtig, und kann nicht anders als sie zu küssen. Sie ist älter als ich. Sie kennt sowas nicht. Sie hat viele Bekannte die sie in Notsituationen unterstützen, da ist einer der die Winterreifen aufzieht und da ist die, die was unterschreibt zu ihrem Vorteil, und da sind überhaupt eine Millionen Leute. Aber da ist keine Freundin. Eine Freundin, die einfach umarmt, die einfach küsst, die einfach zärtlich ist wenn es angebracht ist.
Irgendwann im Sommer hatte ich kurz Sorge schwanger zu sein. Von irgend so einem - ach lassen wir das. (Sie ist alleinerziehend.). Unter Tränen sagte ich ihr, dass ich das nicht durchziehen könne, ich habe keine Mutter mehr die mich unterstützen könne. Nein, das nicht, antwortete sie, aber Sie haben Freunde.

Ich finde sie sehr schön, und das ist eine von diesen schönen Menschen, die das auch im Herzen ausstrahlen. Überhaupt: ich mag sie, sie ist eine von den Guten.

Was ich eigentich schreiben wollte:




Es ist dieses Gefühl davon ergriffen zu sein was andere machen, was andere sind. Ich - als Profi in Wertschätzung - könnte mein ganzes Leben damit verbringen das Leben der anderen zu bejubeln. Sogar ohne das sie was machen! Ich kann auch einfach wertschätzen dass da jemand ist, jemand verlebt im Sinne von sein. Als müsste es auch jemanden geben, der das ganze wertschätzt.

Mir kommt es vor als könne ich sonst nichts. Ich kann nichts leisten, fällt mir ein nachdem ich einen Versuch starte aufzuzählen was auch ich kann (jeder kann irgendwas). Ich kann gut Musik hören, ich höre die Nuancen, ich wertschätze die Violine im Solo bei einem Live Konzert von lcohen und so weiter und so fort. Die Aufzählung könnte jetzt ins Unendliche gehen. Ich könnte nicht nur Musiker sondern auch Literaten und Schauspieler und Regiseure und auch mein Patenkind und meinen Vater und meine Mutter sowieso auflisten: ganz klasse was die alle machen oder erreicht haben. Aber bei mir selbst hörts auf.

Soll ich aufzählen dass ich diesen eher einfachen Job ziemlich gut mache? Soll ich aufzählen dass ich fünf Klimmzüge und zwanzig Liegestützen aus dem Nichts heraus schaffe? Soll ich aufzählen dass ich gut Orchester die zweite Geige spielen konnte oder dass ich ein Sowi Studium mit summa cum laude abgeschlossen habe? Letztendlich fühlt sich alles wie gutes Mittelmaß an, aber mehr nicht. Es endet in einem Nichts. Ich lauf da so mediokre mit und habe es dabei nichtmals geschafft mir ein entsprechendes Leben für mein Alter entsprechend aufzubauen. Mittelmaß ist nicht schlimm, es kann nicht nur Elite geben, aber Mittelmaß fühlt sich schlimm an wenn man es selbst dort zu nichts gebracht hat.

Summasumarum ist die Ausgangslage nicht wirklich übel. Ich wohne in einer schönen kleinen Wohnung, der Blick aus meinem Küchenfenster landet in einem Rosenfeld, meine Stelle ist unbefristet, das Gehalt kommt stets pünktlich, ich habe Freunde die anrufen, die ich anrufen kann, die mit mir ein Bier trinken wollen, ich habe ein Akkordeon im Wohnzimmer stehen und ich bin nicht hässlich.

Ein Hund wäre noch gut. Werde das Projekt "Hund" nächstes Jahr nochmal angehen.