Nach all den Jahren verneine ich mittlerweile obligatorisch. Ich winke oft schon im Vorfeld ab, meistens entziehe ich mich sogar bereits in dem Moment, wenn ich mitbekomme dass die Situation beginnt. Es gibt gar keinen Augenblick mehr der Entscheidung, ich bin enfach raus. Bin bei sowas nicht mehr dabei. Ich gehe dann einfach woanders hin, zum Bierstand, zur Tanzfläche oder nach Hause. Die Zeiten haben sich geändert.

Was es seit Jaaaaaaahren allerdings nicht gab: eine solche Situation bei mir zu Hause. In kleiner, vertrauter Runde. In Bierlaune. Mit Cohen im Hintergrund. Und so ergab es sich gestern, dass ich nicht obligatorisch verneinte, dass ich zwar kurz zögerte aber dann zusagte. Als meine langen schlanken Finger das Tütchen entgegennahmen, begann meine Zeitreise.

Wir unterhielten uns auf deutsch, auf englisch, auf französisch, wir unterhielten uns über Freundschaften, über Musik, über die RAF, über das Sauerland, über meine Arbeitskollegin. Und ich erzählte vom Biertrinken mit Chef und dem Lieblingskollegen, vom Sport mit dem neuen Freund, dem alten Mann und als das Bier leer war, ich schenkte einen guten deutschen Wein ein.

Ich wartete. Ich wartete auf das Kribbeln in den Wangenknochen was die Mundwinkel hochzieht, ich wartete darauf in die Couch gedrückt zu werden, mit ihr zu symbiosieren. Ich wartete auf mein Herz, ob es stark klopfen würde. Ich wartete auf den Moment wenn Raum und Zeit irgendwie anders rüberkommen und am meisten wartete ich auf diesen wunderbaren Moment, an den ich mich noch so gut erinnere, den ich so sehr schätzte damals, der Moment wenn sich eine Decke auf den Kopf, auf all die Sorgen legt.
Das Kribbeln in den Wangenknochen setzte ein und zog mir die Mundwinkel nach oben, aber ich war eh schon glücklich ob des guten Besuchs. Es kam kein schlechtes Gefühl, vielmehr fühlte ich mich so gut, dass ich Lust bekam, wieder mehr Tütchen zu rauchen als Bier zu trinken. Bei der Diskussion dass Alkohol eine ehrlichere Droge sei, beteiligte ich mich kaum noch.
Später im Bett genoss ich. Ach ja, so war das, man ist tief ins Bett gedrückt, das Kopfkino macht Spaß und nichts dreht sich, die Bettdecke ist ganz schön schwer, wow fühlt sich das gut an, ja, genau so war das damals, als jeden Abend vor dem Schlafengehen diese Decke über alles gelegt wurde und ich tiefentspannt einschlief.

Ich hatte die Tüte vor einigen Monaten Sonntags morgens beim Joggen gefunden. Muss jemandem aufm Heimweg nachts vom Ohr gefallen sein. Monatelang lag es hier, keiner wollte es haben, keiner traute sich es zu rauchen. Was da wohl drin sei!, empörten sich die nun Erwachsenen. Es war völlig klar dass das ein ganz normales Tütchen war, was sich jemand noch für zu Hause gedreht hatte und auf dem Heimweg verloren hatte.
Er gestern war der erste der es ohne zu zögern anzündete. Er ist der frz Herzmann der Bierfreundin und der Abend gestern mit den beiden rundete das völlig unverplante und vielleicht deswegen äußerst positiv aufregende We vom Feinsten ab.




Am besten eigentlich dann der Moment als ich meinen Wecker stellte. Ich schaute mir die Zahlen an und ahnte schon, dass da irgendwas nicht stimmen kann. Wecker ging dann heute morgen eineinhalb Stunden zu spät---------------------------

"den Moment wenn Raum und Zeit irgendwie anders rüberkommen "

und genau das war das Gefühl, auf dass ich irgendwann nicht mehr konnte.
Nun stelle ich fest: gar nicht so übel ;)

Die Lieblingsfreundin ruft an, ich wimmel ab, ich müsse noch was zu Ende schreiben. Worüber?, fragt sie neugierig. Darüber, dass ich gestern gekifft habe. Du hast gestern gekifft??, fragt sie ungläubig.

Als wir später telefonieren, lese ich ihr den Text vor. Sie ist begeistert und schlägt vehemment vor, dass ich meine Texte an einen Verlag schicken soll. Ich versuche ihr zu erklären, dass ich nicht qualitativ hochwertig schreiben würde, dass man diese Texte sprachlich auseinandernehmen könnnte, in einer Klausur (korrigiert von der Bierfreundin, der Lehrerin) diese Texte höchstens eine drei minus ergeben würden eben aufgrund der sprachlichen Mängel. Ich erkläre weiter, dass das einen Unterschied ergibt ob ich das vortrage oder ob das gedruckt würde. Sie will nicht verstehen. Ich erkläre weiter, dass wenn ich im Lotto gewinnen würde, sehrwohl alles aufarbeiten würde und zuerst was mit dem Titel "Abschied auf Raten" eben über meiner Mutter veröffentlichen wollen würde und danach blablabla--------------

Wobei
Lehrerinnen meiner Erfahrung nach nicht unbedingt prädestiniert sind, die Qualitäten in einem Text jenseits von formaler Korrektheit zu erkennen. Oft hängen sie sich zu sehr an Fehlersuche auf und verlieren dafür das Entscheidendere aus den Augen.

Trotzdem haben Sie recht, dass an Gedrucktes nochmal ein anderer Anspruch gestellt wird als an vorgetragenes. Aber letzteres kann ja durchaus eine Etappe sein auf dem Weg...

Read now: another schlecht geschriebener Text ;)

Ist halt alles so just in time runtergeschrieben. Ohne Alkohol wären sie vielleicht besser.

Notiz an mich: bald mal wieder nichts trinken......----------------