Ich wollte eigentlich über diese gtd-Urlaubswoche erzählen, über die Entrümpelungsaktionen in meiner Wohnung, über den Mann den ich zehn Jahre älter geschätzt habe und mit dem ich das dritte Date spontan vor dem ersten Date vorgezogen habe, über den Tag mit den Kindern und den Freunden mit den Kindern (wir waren zusammen beim Kinderturnen), über den Kasten Bier mit 0,33 Flaschen und die damiteinhergehenden Vor- und Nachteile, darüber dass mein Auto Reparaturen in Höhe von gut achthundert euro braucht, dass mein Vater eine gr Party bei sich zu Silvester plant obwohl er zu der Zeit meine Mutter alleine pflegt und dass ich mittlerweile locker fünf Klimmzüge aus dem langen Arm locker wegziehe. Aber dann kam heute was anderes dazwischen. tbc.




Mein Vater ist für drei Tage verreist, Wellnessurlaub in meinem Lieblingswellnesshotel in dem ich dieses Jahr über ein langes We keine Einzelzimmer mehr für meine Freundinnen und mich bekomme. Er hat mich gefragt, ich habe es ihm angepriesen, wenn ich ihn morgen nach seiner Rückkehr treffe wird er so tun, als sei es seine Entdeckung gewesen. Genauso wie die eine Superärztin, genauso wie vieles andere. Na ja, vielleicht auch nicht. Die Fronten haben sich geändert, sind keine Fronten mehr. Mittlerweile kann er zugeben dass ich besser Bescheid weiß über manche Dinge als er. Es hat sich zu einem Stolz mir gegenüber geändert - er gibt jetzt gerne an mit mir. Früher konnte er es nicht haben wenn ich was besser wusste oder konnte. Beispiel: er tippt schnell, kann aber nicht blind tippen und ich tippe mittlerweile blind fast im alten Sekretärinnenstyle. Wir saßen einmal zusammen oben im Dachgeschoss, in seinem Büro. Ich tippte irgendwas. Blind. Machte einen Vertipper. "Schau auf die Tasten wenn du das nicht kannst!" fluchte er mich an. Das ist jetzt nicht mehr so. Also ok: er wird mir morgen sagen wie wirklich 1a dieses Wellhotel ist. (Dennoch bin ich mir sicher dass er eine Schwachstelle gefunden hat und mir diese genaustens mitteilen wird).
Mein Vater war also jetzt drei Tage verreist und ich besuchte täglich meine Mutter und vor allem die liebe Pfegefrau. Wir verstehen uns wirklich gut. Dreißig Minuten Gespräch beim Kaffee mit ihr sind Gold wert, ihr Deutsch ist hervorragend, wir machen Witze, wir unterhalten uns über alles mögliche und ich fange peu a peu an ihr Sachen aus dieser schwierigen Familienkonstellation zu erzählen. Als ich heute vorbeikam war - Potzplitz! - meine Tante dort. Natürlich in Hut und Mantel. Die kleine Schwester meiner Mutter die nur eine Straße weiter wohnt kommt sein Jahren nur noch in Hut und Mantel für zehn Minuten vorbei. Ich schlug vor Kaffee zu kochen, meine Tante winkte ab, sie gehe jetzt wieder. Diese Frau hat eigentlich Zeit. Ihr Sohn (mein Patenkind, hochbegabt) studiert nun, ist kein kleines Kind mehr, sie arbeitet seit achtzehn Jahren nicht mehr, es gibt keinen Grund warum sie nicht spontan zwanzig Minuten bei irgendwem - und wir sprechen hier von ihrer kranken Schwester und der Tochter von der kranken Schwester - bleiben könnte. Aber nein, sie muss sich um ihre Männer kümmern. Sie ging also wieder und die liebe Pflegefrau und ich tranken Kaffee, quatschten, lachten und umarmten uns zum Abschied (ich ging dann zum Kinderturnen). Meine Tante - und darüber möchte ich schreiben - erwähnte kurz ob ich Freitag in die Kirche gehe. Ich wusste die Frage nicht direkt einzuordnen denn weder meine Tante noch ich gehen regelmäßig oder überhaupt in die Kirche. Verwundert fragte ich nach. Ich erfuhr: Freitag ist Allerseelen (oder so) und da werden die Namen aller dieses Jahr verstorbenen aufgezählt und man kann eine Kerze anzünden und sie sei eingeladen. Wegen Oma. Aber sie ginge auf keinen Fall, erläuterte sie mir weiter. (TBC)

Sie ginge auf also auf keinen Fall wie ich erfahren musste, sie sei damals schon dagewesen als ihr Vater gestorben sei und das sei so schrecklich gewesen als der Name vorgelesen wurde. Ich finde es krass was sie das als schrecklich bezeichnet. Ich könnte gefühlte eine Mio andere (familiäre) Situationen aufzählen die es wirklich verdient hätten als schrecklich bezeichnet werden zu können aber so ist das nun mal: jedem das seine. Und ich wünsche keinem mein Schrecklich. Ich plane also Freitag (ggf alleine) in die Kirche zu gehen und Oma zu gedenken. Ich freue mich genaugenommen sogar darauf.

Ob ich meine Mutter dieses Jahr noch zu Grab trage? Zwei Monate to go.

Ich komme immer noch nicht darüber hinweg was meine Tante für ein Drama aus dem Gedenken an ihre Mutter, meine Oma macht. Sie tut soooo cool und aufgeklärt und schafft es nicht für diese Frau, die ein wirklich erfülltes Leben hatte eine Kerze anzuzünden?? Als sie meinte das wäre so schlimm bei Opa gewesen, sie könne das nicht nochmal, schlug ich vor, dass wir gemeinsam hingehen. Ich meine, man könne danach ja noch ein Bierchen trinken (strike) was essen gehen und so. Nein, sie will auf keinen Fall. Nach der Schmalspurbeerdigung die sie für meine Oma geplant hat...Ich finde das unfair....Meine Oma war gut in ihrem Leben. Meine Oma hat im Rahmen ihres Lebens wirklich alles gut gemacht, auch einiges einfach geschluckt, sie war eine gute Mutter (eine gute Oma sowieso.)

Sie sei eine gute Oma, sagte ich ihr irgendwann mal. Das sei klasse mit ihr. Erzähl mir von deiner Oma, Oma! Vielleicht bist du eine so gute Oma weil du auch eine gute Oma hattest!, fragte ich sie, als Kind. Und dann erzählte mir meine Oma von ihrer Oma, die sie nur von Briefen und Paketen kannte und die sie nur einmal im Leben getroffen hatte. Es war eine große Reise, und als die Familie dort ankam, stand fast das ganze Dorf am kl Bahnhof um den Josepp mit seiner Frau den beiden Kindern zu begrüßen.

Sie sei als Kind neidisch gewesen, erzählte sie mir, wenn andere Kinder draußen sagten, sie gingen jetzt zu ihrer Oma. Und so kam es, das sie mir eine super gute Oma war. Ich konnte jederzeit hinkommen, wir wohnten ab meinem dritten Lebensjahr nur eine Straße weiter und wenn mir - damals schon - alles zu viel wurde, ging ich einfach zur Oma. Manchmal kam ich als kleines Kind dorthin, schlief mich einfach nur eine Stunde auf ihrem Arm aus und ging zurück nach Hause. Oma hatte immer Zeit. Nur Montags nicht, da ging Oma kegeln. Aber sonst hatte sie immer Zeit. Sie kochte mein Lieblingsessen, sie erklärte mir, dass ich jetzt noch nicht nach oben ins Dachgeschoss zur Tante gehen könne weil die noch ausschlafen musste und dann kochte sie Pfefferminztee für die Tante, weil die gleich darüber freut wenn sie aufwacht.

Und die Tante kann morgen keine Kerze für diese liebe Frau anzünden. Ich raffs nicht. Ich raffs einfach nicht. Oder vielleicht doch: so tickt Familie.

War nicht in der Kirche.