Aus gegebenen Anlass!

Als unser Kater kastriert wurde, war ich Kind. Ich glaube sogar ich war Kindergartenkind. Jedenfalls wurde der Kater kastriert. Mit der Katze (Schwester vom Kater) wurde übrigens erst mal nichts gemacht (erst nach dem ersten Wurf). Also der Kater wurde kastriert, ich lernte dieses schwierige Wort direkt, das wurde genauso in der Familie besprochen. Abends dann lag der Kater komplett in den Seilen. Ich musste den Kater in Ruhe lassen, wurde mir erklärt, der muss sich ausschlafen und ausruhen. Ich lauschte den Gesprächen über diesen Eingriff und diesen schwierigen neuen Worten genau und beobachtete den Kater und meine Eltern, genau genommen meinen Vater, wie er sich um den armen halb-schwarzen Kater kümmerte. Dieses in Extremsituationen um die Katzen kümmern war der Job meines Vaters in meinem Elternhaus. Meine Mutter pflegte - glaube ich - ebenfalls eine enge Bindung zu den Katzen, aber auf einer anderen Ebene. Mehr so eine emotionale Ebene und mehr so Alltagszeugs. Aber Ansprechpartner Nr eins für die Katzen war mein Vater. Er pröttelte auch Weihnachten aus der Gans die schönen Stückchen (Herz oder Leber oder so) für sie raus und richtete es herzhaft für sie an. Ansonsten wurde bei uns btw nicht für die Katzen gekocht oder so.

Mir fällt gerade ein dass ich an dem Umgang mit den Katzen das Gute in meinem Vater am besten beschreiben oder verifizieren kann. Dieser Mann der am Telefon so heftig rumschnauzen kann, dass man sich einen großen, breiten, bösen Mann vorstellt (er ist klein und zierlich), dieser Mann der sofort in Angriffsstellung geht, wenn eine Pflegefrau sagt, dass Olivenöl schlecht ist (sie meint das bzgl eines bestimmtes Gerichts und er ist verletzt weil es sich um sein hochwertiges kretanisches Olivenöl handelt), dieser Mann der Papierkrieg mit Krankenkassen und anderen Ämtern eingeht, immer sofort seinen Rechtsanwalt einschaltet. Der, der beim Kegeln ausrastet, weil alle nur quatschen statt kegeln und dann werden auch noch die Punkte falsch aufgeschrieben! Dieser Mann, der sich immer aufregt. Und was mir so weh tut: niemand sieht dass er eigentlich gut im Herzen ist. Ich unterhielt mich neulich mit meinem Patenonkel über ihn, erzählte was gerade in meinem Elternhaus abginge mit der neuen Pflegefrau (sie telefoniert täglich mit der letzten Pflegefrau...tbc) und wie sich die ganze Situation für ihn anfühlen müsse. Mein Patenonkel ist der jüngste Bruder meines Vaters (mein Vater ist der älteste, dazwischen sind noch weitere Geschwister). Und dann schoss es aus mir raus, dass es mir so weh tut dass alle meinen Vater für schlecht halten und schlecht über ihn reden. Mein Patenonkel war überrascht: wer redet denn schlecht über ihn?? Ich hatte nicht damit gerechnet dass er ihn anders sieht. Ich glaube jetzt sogar er himmelt ihn an, seinen großen Bruder, der so viele Herausforderungen im Leben angenommen hat. Aber dennoch: viele Außenstehende sehen das anders. In so Extremsituationen wie jetzt - man muss sich das mal vor Augen führen: meine Eltern sind Mitte sechzig, da fangen die anderen alle an das lange angearbeitete Geld mit tollen Reisen rauszuhauen, jetzt wo die Kinder auch groß und gesattlet sind - so Extremsituationen wie jetzt, die Frau schwerer Pflegefall, fremde Pflegefrauen, Hausumbau damit Pflege zu Hause möglich ist, in so Situationen halten nur die Menschen zu einem, die einen wirklich lieben, die wirklich Freunde sind. Klar, dass da einige bei aus dem Raster fallen.


Was ich eigentlich sagen wollte: früher gab es noch keine youtubevideos oder so, aber dennoch war es in der Familie ganz deutlich Thema Nr eins, als der Kater kastriert wurde. Einfach ein heftiges Ereignis in einer Katzenfamilie. Ich erinnere mich noch genau......




Ach nee, ich wollte was ganz anderes schreiben: ich überlege gerade dass meine Eltern bei diesem Ereignis ungefähr so alt waren, wie ich jetzt bin. Und sie hatten vor diesen Katzen keine Katzenerfahrungen. Und ich frage mich, was denen da so durch den Kopf gegangen ist. Also was ich als Kind nicht mitbekommen habe. Ob die abends zusammengesessen haben und überlegt haben, ob der Zustand von dem Kater jetzt so ok ist und ob das alles gut und richtig verlaufen ist usw. Ich meine: die konnten ja nicht im Internet recherchieren oder so, die mussten das einfach so hinnehmen und darauf vertrauen, dass das so ok ist. Bißchen schade dass ich meinen Vater dazu nicht befragen kann, er hat kaum Erinnerungen an früher, daran als er in meinem Alter war, das ist alles so eingefärbt. Meiner Mutter könnte ich davon erzählen, dass ich mich so frage, wie das damals für sie war, aber nun denn, ich kann sie nicht mehr fragen und genaugenommen ist das jetzt ja auch nicht sooo wichtig. Bestimmt haben sie sich Gedanken gemacht und meine Güte, letzen Endes ist ja alles völlig normal und gut verlaufen und der Kater lebte lange und ich hoffe auch glücklich.

Ich war wirklich über die Youtube-Videos dankbar, dass ich es Mademoiselle damit so gut erklären konnte. Auch das Torkeln hinterher haben wir uns angeschaut, gut, das kannte sie schon von einer Rattenoperation, aber ich fand es einfach toll, sie so auf die Operation vorbereiten zu können.

Sie hat das alles dann auch gleich in der Schule im Morgenkreis erzählt. Und die Erzieher waren ziemlich irritiert, ich bin heute beim Abholen dreimal darauf angesprochen worden, wie ich denn auf die Idee gekommen bin und ob sowas wirklich kindgerecht wäre und Im Internet sei doch so viel Schrott, laberlaberlaber. Alle bekloppt ;-)

Ich finds auch gut :-) Habe vorhin in einer kleinen Runde erst mal davon erzählt: "Gute Bekannte von mir haben ihren Kater kastrieren lassen und die haben eine Tochter, so Grundschulalter. Und die Frau hat mit dem Kind sich dann erst mal.." usw.... War witzig. Und dann folgten Stories was heute so möglich ist und wie das früher war und was Kinder heutzutage kennen oder eben aber auch nicht kennen. Ich erzählt wie der kleine Sohn mit den Freunden mit den Kindern neulich bei mir zu Besuch war und keine Kassetten kannte. Und dann wurf einer die absolute Megastory ein: er arbeitet bei den Straßenbahnen- und Busbetrieben in unserer Stadt. Mit den neuen Azubis wurde neulich eine Begehung der U-Bahn gemacht, also durch die Katakomben. Der Ausbildungsleiter ---------orr, sry, muss morgen weiterschreiben, Nachbarsjunge will kurz mit Liebeskummer aufn Bier vorbeikommen------------wo haben die alle ihre Probleme her??????????

Die Story mit den Azubis in der U-Bahn lässt sich besser erzählen als aufschreiben. Nun denn: letzten Endes kannte der Azubi keine Telefone mit Wählscheibe und sagte beim ersten Telefon, es sei defekt (der Ausbildungsleiter wunderte sich, da wöchentliche Wartung) und als er das beim Zweiten auch sagte, schaute der Ausbildungsleiter dann mal nach und sah wie der Azubi das Telefon bediente: er berührte die Nummern lediglich und war überrascht, dass nichts passierte. Der Ausbildungsleiter veräppelte ihn darauf hin noch und meinte, wenn man den Knopf drücken würde, könnte man per Sprachwahl wählen.