Denke seit heute Mittag an das Mädchen, dessen Meerschweinchen heute gestorben ist. Wie war das nochmal mit zehn/elf Jahren, wie hat man da nochmal gefühlt? Was wusste man da von Leben und Tod und von der Welt im Allgemeinen? Was war da die Wirklichkeit? Tod von nahestehenden Tieren oder Verwandten habe ich erst spät, erst mit achtzehn erfahren.

Ich glaube es ist egal wie alt man ist wenn man etwas was einem am Herzen liegt durch Tod verliert - man wünscht sich dann einfach eine Person, die einem wirklich beisteht und einen in den Arm nimmt wenn man Abschied nimmt.




Wirklich verstehen tut mans ja auch später nicht, der Tod bleibt für Erwachsene ebenso eine unbeantwortete Frage.

Als unser betagtes Hundi starb, war Töchterlein vier oder so. Also alt genug, um sehr zu weinen, aber zu jung, um es in seiner ganzen Bedeutung zu erfassen. Das wird bei den Meeris sicher anders sein, aber auch das wird man irgendwie durchstehen. Aber was, wenn meine Mutter, die im vergangenen halben Jahr sehr oft müde und abgekämpft war wie selten zuvor, es damit eiliger hat als eines der Meerschweinchen? Weihnachten zu uns zu kommen hat sie so angestrengt, und eine innere Stimme sagte mir, wer weiß, ob es nicht das letzte Mal war, dass wir sie bei uns hatten?

Aber wem erzähle ich das, Sie haben da ja noch ganz andere Päckchen zu tragen...

Das vllt letzte Weihnachten mit der Mutter ist heftig, was? Immer wieder denke ich an den Satz der lieben alten Dame die über mir wohnt: Ja wenn die Mutter zu Grunde geht, das ist so ein Schmerz, den hält man nur einmal im Leben aus, deswegen hat man auch nur eine Mutter.
Ich erinnere mich noch genau an vorletztes Jahr Weihnachten, das letzte Weihnachten was meine Mutter noch einigermaßen bewusst mitbekommen hat...
Ohne Ihre Mutter zu kennen denke ich, dass es für sie sehr schön war Weihnachten bei Ihnen zu verbringen und beim Enkelkind zu sein. In meinem Bild von Ihnen und Ihrer Familie freut sich diese alte Dame sehr über diese Enkeltochter.

Ja, schwer.

Als ich heute bei meinen Eltern war und meine Mutter begrüßte und in den Arm nahm, ihr zuflüsterte wer ich sei und sie bat mich anzuschauen weil sie sich dann freuen würde, schaffte sie es nicht den Kopf zu mir zu drehen und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie wollte mich nicht anschauen. Ich weiß nicht was dieser kranke Kopf noch für Gedanken schafft aber es fühlte sich an als dachte sie: mist, da ist jemand der mir am Herzen liegt aber ich kann es nicht zuordnen. Sie war unruhig. Als mein Vater und ich uns dann ganz ruhig unterhielten, schlief sie ganz ruhig ein. Als ich im Gespräch mit meinem Vater zu ihr rüber sah, dachte ich schon sie sei mal eben gestorben, ich schmeckte in meinem Mund, denn der liebe Freund mit dem ich Sonntags immer Fußball schaue und der seinen Vater beim Sterben begleitet hat, sagte mir, dass man das schmecken würde wenn jemand in der Nähe stirbt (weil der Sterbende irgendwas ausstösst, irgendein chemischer Prozess - keine Ahnung). Aber sie war einfach nur so eingeschlafen. Sie wäre bestimmt nicht eingeschlafen wenn mein Vater und ich diskutiert oder uns gestritten hätten, so wie früher, aber heute streiten wir nicht mehr.


Da liegt eine Danke-Karte. Adressiert an meinen Vater. Danke für Glü*ckwünsche zur H*chzeit. In der Karte lese ich: Liebe sowieso, lieber [Name von meinem Vater]. Der erste Name ist nicht der Name meine Mutter. Ist der Name von der Freundin meines Vaters. Ich nehme es cool hin, so wie das Weihnachtsfest im letzten Jahr. Ganz cool erwachsen kann ich damit umgehen. Mein inneres Kind schreit.

Mein inneres Kind schreit.

Kann ich verstehen, Sie kriegen ja auch ganz schön was draufgepackt. Ich wüßte nicht, wie ich damit umginge.

Mein Vater hat uns ja, wie soll ich sagen, etwas plötzlicher verlassen, diese komprimierte Dramatik lässt sich schlecht vergleichen mit dem schleichenden Verlassenwerden, mit dem Sie konfrontiert sind.

Aber ansonsten sehen Sie das bei uns schon richtig, dass meine Mutter es sehr genossen hier, wie auch im Jahr zuvor bei meinem jüngeren Bruder mit seiner Familie. Man muss das einfach versuchen zu genießen, solange es noch geht. Vielleicht ergibt sich noch was von unserem Osterquartier aus, das auf halber Strecke in die Heimat liegt.

[klasse, auf meiner Seite schreibt nun jeder so runter ohne Rücksicht auf Grammatik und Vertipper, ich freue mich]

[Hm, ob das an dem latent lespischen Einfluss Ihrer Adresse liegt oder doch nur daran, dass mir schier die Augen zufallen? Man weiß es nicht, man steckt nicht drin. ;-)]

Machen Sie den Abstecher auf jeden Fall, geht ja nicht um stundenlang oder so, einfach mal eben aufn Kaffee vorbeischauen und vllt hat das Kind auch was für die Oma zu Ostern gebastelt. Das ist ja auch so ein Ding was man sich vor Augen halten muss: Eltern-Kind/Großeltern-Enkelkind - das sind völlig verschiedene Beziehungen. Ich rechne es meinem Vater hoch an, dass er mir seine Mutter trotz übler Kindheit stets als Oma hoch gehalten hat. Was für eine schlechte Mutter es war, hat mein Vater nie als Anhaltspunkt mir gegenüber genommen, er hielt mir stets gegenüber, was sie für eine gute Oma für mich war. Und das war sie. Das nenne ich charaktergroß.

Das mit ihrem Vater ist heavy....jeder hat - wie Sie ja eingangs bemerkten - sein Päckchen.....

Für mich ist das alles bei mir in meiner Familie jetzt gar nicht sooo schlimm - genaugenommen mache ich diese Konstellation ja schon fast ein Leben lang mit.....und nach fünfzehn Jahren Couch hält man sowas dann irgendwie ganz gut aus ;-)

Oder deutlich weniger zwinkernd gesagt: sucht und findet man seine Ventile.

Und manchmal denke ich dann doch: grenzt schon an Wunder wie gut ich so ein "Erwachsenenleben" hinbekomme.

(hat sich jetzt überschnitten)

Ach hier soll das doch so sein! Hier gibt es keinen Anspruch auf a-blogging. Sowas muss ja im Netz auch geben ;)

Interessant, dass Sie die familiäre Lage als "gar nicht sooo schlimm" deklarieren. Ich habe die 112-Geschichte trotz (oder wegen) der Dramatik auch irgendwie als "nicht sooo schlimm" für mich abgeheftet. Nicht zuletzt in dem Wissen, dass ich mit einem schleichenden Prozess des Verlierens und einem längeren Leidensweg meines Vaters sicher schlechter klargekommen wäre.

Ansonsten hat meine Eigenwahrnehmung, wie ich mein Erwachsenenleben hinkriege, in der Zeit nach jenen Ereignissen schon die eine oder andere Eintrübung erfahren. Aber zumindest hat sich die Tendenz von damals klar bestätigt, dass ich wenns wirklich hart auf hart kommt, einen ziemlich kühlen Kopf bewahren und gut funktionieren kann. Diese Fähigkeit war später nochmal sehr gefragt in einem anderen Trauerfall...

(Das war "lesbig" btw. Was ist überhaupt aus der Kollegin geworden, frage ich mich gerade................................)

Ich glaube wir können uns reich schätzen für die Kompetenz, in wirklich heftigen Situationen einen klaren Kopf behalten zu können. Ich erinnere mich zb spontan an die Situation letzten Sommer, als mein Vater verreist war und meine Mutter in der Kurzzeitpflege einen epileptischen Anfall bekam. Und ich erinnere mich noch haargenau an den Moment, an dem ich entscheiden konnte jetzt auszuflippen oder tief durchzuatmen und mit klaren Kopf die Situation zu meistern.

Ich mag diesen Moment in dem man spürt dass man jetzt selbt entscheiden kann wie man mit einer Situation umgeht. Quasi die Freiheit der Entscheidung spürt.

Beim Zähneputzen jetzt frage ich mich, wann es denn genau Eintrübungen in ihrem Erwachsenenleben gegeben hat. Also als Single kommt man gut klar, wenn man ein sicheres Einkommen hat, Rechnungen zahlen kann und die Wohnung nicht völlig verdreckt und bei jemanden der Kinder/er Familie hat dasselbe plus dass die Kinder entsprechend aufwachsen können. Das ist doch bei Ihnen gegeben!?

Sicheres Einkommen, damit fing es schon an. Ich war ja nie festangestellt, immer freischwebend unterwegs. Mit dem Zahlen von Rechnungen und der Miete hatte ich daher durchaus schon Probleme. Sicher, aus so Löchern kann man sich auch wieder rausstrampeln, aber ich habe es mit zunehmendem Alter als immer mühseliger empfunden, und seien wir ehrlich - streckenweise auch keinen Sinn mehr darin gesehen. Die letzten Angebote von Festanstellungen waren schon etwas her, und die Energie, in der Lage auf irgendwas völlig anderes umzusatteln, hatte ich auch nicht. Ich habe mir den Luxus einer ausgewachsenen Midlife-Crisis geleistet, bis meine frühere Lieblingskollegin ihren Lebensgefährten (mit dem ich auch befreundet war) unter ähnlich dramatischen Umständen verlor wie meine Mutter meinen Vater (auch sonst gab es da noch ein paar frappierende Übereinstimungen). Und in der gemeinsamen Trauerarbeit hat es sich dann recht schnell so gefügt, dass wir den weiteren Weg gemeinsam gehen und ein Kind haben wollen. Wir mussten nicht lange rumprobieren, und da meine Frau durchaus weiterhin eigene Karrierepläne verfolgte, bot es sich für mich geradezu an, zum Homeofficer auch noch den Hausmann-Job zu übernehmen. So hat sich alles im Weiteren eigentlich ganz wunderbar ergeben, aber dass es diesen Ausgang nimmt war in dem Loch steckend überhaupt nicht absehbar...

Was das Leben für Geschichten schreibt...unglaublich....

Ja, das war alles schon ein ziemlicher Hammer, und das ganze noch garniert mit ein paar extrem unwahrscheinlichen Details, angesichts derer man sich stellenweise vorkam wie ein Protagonist eines Haruki-Murakami-Romans, dunkle Vorahnungen des Verstorbenen bei unserem letzten Abendessen, die ich erst im Nachhinein richtig dechiffrieren und einordnen konnte, synchrone Träume und andere seltsame Dinge...

...sich stellenweise vorkam wie ein Protagonist eines Haruki-Murakami-Romans...

gefällt mir. Ich bewundere wie man so schön schreiben kann.

Das bezieht sich jetzt aber eher auf Murakami als auf meinen schnell dahingeschriebenen Kommentar, nehme ich an.

Meine Frau hatte mich, als wir noch Kollegen waren (zwischen denen durchaus was bitzelte), mit "Wilde Schafsjagd" angefixt. Der Held ist Ende zwanzig, ein desillusionierter Schreiber, der beruflich und privat in einer Sackgasse feststeckt, eigentlich ein ziemlicher Antiheld, wie er so ähnlich auch in "Mister Aufziehvogel" seinen Auftritt hat. Aber diesen Typen passieren unwahrscheinliche Dinge, sie verstricken sich in Vorgängen, die sie überhaupt nicht überblicken und sie bekommen dabei deutliche Ahnungen von Vorgängen in anderen Sphären. Das war damals so, als ob diese Bücher eigens für mich geschrieben worden wären.

Nee, das war schon konkret auf Ihr Schreiben bezogen.

Ich habe gerade festgestellt dass ich via Handy keinen neuen Text anfangen kann. Muss ich hinnehmen. Wie die Tatsache dass ich weiter alleine einschlafe. Und dass ich den jungen Mann nicht anschreiben kann. Es wird auf Dauer an mir kratzen dass ich dauernd alleine einschlafe. Es fängt schon an weh zu tun. Es fängt an....

Zurück zum Thema.

Wie krass, denn das ist dann ja quasi doppelt mystisch (mir fällt gerade kein passenderes Wort ein), oder vielmehr verschachtelt spannend: das, was passierte war ähnlich mit dem Inhalt des Romans; und dann aber auch die Tatsache dass sie Ihnen das Buch geschenkt hat - also diese Geste gehört ja mit zu Ihrer Geschichte....

Nochmal eben zu meinem heute Nacht Geschriebenen: die ganzen letzte Tage schwirrt mir schon die Idee im Kopf herum, meine aktuelle Sitation wie folgt zu betrachten: im ersten Quartal dieses Jahres stand Arbeiten auf dem Plan, das zweite Quartal könnte ich für Partnersuche nutzen. Aber mir gefiel diese Denke dann doch nicht sooo gut, daher habe ich sie auch bisher nicht so aufgeschrieben. Aber mir gefällt das wie ich dieses Jahr angehe. Es war gut für mich, mich einfach mal für drei Monate komplett in Arbeit zu stürzen und zufälligerweise ergab sich auch ein dickes Projekt in das ich mich reinhängen konnte und das Ergebnis, das Gespräch mit dem Chef und die nun neuen Perspektiven für mich in dem Laden die sich nun auftun, zeigen mir, dass es vllt genau das Richtige war. Für dieses Jahr hatte ich mir vorgenommen dass beruflich irgendwas passieren muss. Es läuft. Und dann habe ich mir jetzt weiter noch was überlegt: gut im Erwachsenenleben sein, sich gut um sich selbst kümmern können, dazu gehört auch, sich darum zu kümmern dass man nicht alleine bleibt. Denn der Mensch ist nicht zum alleine sein geschafffen. [Fügen Sie hier einen langen soziologischen Diskurs über den Mensch als soziales Wesen ein.] Und sicherlich kann man nicht sagen: so, jetzt suche ich mir mal einen Partner - obwohl, in der heutigen Zeit ist sowas ja mittlerweile völlig normal und möglich via all der vielen Partnerbörsen online, aber davon halte ich persönlich nichts, aber das ist ein anderes Thema - aber ich für mich kann das ganze Thema anders angehen als letztes Jahr als da eine flüchtige BettBekanntschaft die nächste jagte. Wie soll man auch den Blick offen halten können für einen potentiellen Richtigen wenn da non-stop nicht-Richtige in meinem Kopf, Handy und Bett rumturnen. Und so habe ich mein Verhalten mit Jahresbeginn geändert. Das Ablenken durch Arbeit hat das auch einfach gemacht, aber ist ja ok. Ich bin gespannt ob auch in dieser Angelegenheit sich in der nächsten Zeit alles zum Guten wendet.

Ich finde diese Denke durchaus nicht verkehrt, solange Sie sich darüber im Klaren sind, dass man's halt nicht zwingen kann, diese Pläne auch 1:1 so umzusetzen. In meinem Fall war es zum Beispiel so, dass ich zum 40. Geburtstag (als ich abends lauter Pärchen zu Besuch hatte) den festen Vorsatz fasste, bis zum 41. wieder liiert zu sein nach mehr als sieben Jahren ohne dauerhafte Beziehung. Und selbst wenn ich in dem Moment eigentlich ganz vage an eine andere Frau (aber zumindest auch Ex-Kollegin) dachte und mir die tatsächlich bevorstehende Ereigniskette im Leben nicht hätte vorstellen können, so war es im Ergebnis doch so, dass ich mit 41 wieder fest vergeben war. Mir ist dann auch wieder eingefallen, dass ich mit meiner Jugendliebe vor Jahrzehnten gewettet hatte, dass ich mit 40 nicht verheiratet sein würde, und tatsächlich fand das dann 12 Tage nach meinem 41. Geburtstag statt.

Und das sind wie auch die Murakami-Verschränkungen alles Teilausschnitte einer Geschichte, die ein Sammelsurium an irren und unwahrscheinlichen Details beinhaltet. Nicht alle eigenen sich für die öffentliche Erzählung hier, aber als Beispiel führe ich noch die Namenswahl unserer Tochter an. Ich sage zu meiner künftigen Frau, also meine erste Wahl wäre ***a." Sie geht zum Regal, holt aus einem Hefter eine Namensliste, und oben links an allererster Stelle steht ***a. Man könnte sagen, das Universum, die Vorsehehung oder wer auch imer hat sich sehr viel Mühe gegeben, uns zu überzeugen, dass es so sein muss wie es ist und dass es (trotz allem, was es schwer machte, das damals in der Trauerzeit zu akzeptieren) auch gut so ist.

Und ich habe das Gefühl, das könnte bei Ihnen auch darauf hinaus laufen.

Danke <3

Sehe und lese gerade den Leitartikel im Wochenendteil der hiesigen Tageszeitung heute...ich bin baff.