Gar nicht mal ganz so tief im Inneren war mir klar, dass es in einem Desaster enden wird, wenn ich jetzt meinen Vater anrufe und ihm von dem Jobangebot erzähle. Ich redete mir zurecht, dass ich ihn jetzt aber dringend anrufen muss um noch was für seinen runden Geb am We abzusprechen. Interessanterweise legte ich direkt los mit: die haben mir eine Stelle da-und-da angeboten. Und dann ging es los. Eine gute dreiviertel Stunde ein Auslassen darüber, dass das ja keine Option ist, dass ich ganz klar sagen müsste, dass ich das-und-das Gehalt will uswusf. Ich mag das jetzt gar nicht alles aufzählen. Ein großes Ausschweifen darüber, wie ich mich jetzt verhalten müsse und was ich sagen und einfordern müsse. Alles völlig unrealistisch. Nein, das ist alles ganz normal, weist er mich zurecht. Väter, omg. Ich kann es ihm nicht recht machen. Immer wieder diese extrem hohen Erwartungen. Seit heute Nachmittag kämpfte ich mit den Tränen, wusste kaum die späten Termine durchzuziehen (natürlich! dennoch eins a gemeistert) und auf den Autobahnen versuchte ich mich selbst zu coachen und zu therapieren, fragte mich schließlich woher dieses schlechte, traurige, unzureichende Gefühl kommt. Die Antwort war schnell gefunden. Dieses sich abmühen, sich den Arsch aufreißen, dieses alles geben und am Ende kommt nichts bei rum, keine Wertschätzung, keine Honorierung. Das kenne ich zu genüge aus meiner Rolle in meiner Familie. Und die Firma zieht das gleiche mit mir ab. Ich überlegte weiter, dass ich nicht blockieren darf, dass ich handlungsfähig bleiben muss, auch wenn da gerade ein ganz altes, vertrautes Gefühl bei mir angezapft wird. Schließlich fahre ich rechts ran und rufe den Lieblingskollegen an. Ich kenne ihn so verdammt gut, habe ihn so sehr durchschaut und ich weiß, umgekehrt ist es genauso. Er ist intelligent. Wir gehen Vor- und Nachteile durch. Punkt für Punkt. Ich nenne meine Wünsche, Ziele etc. (Dinge, die er nie erreichen wird, er wird nie eine Führungsposition erhalten, weiß er auch, und peilt das deswegen auch nicht an, er hat andere, weniger Erwartungen vom Leben als ich, weiß er genauso) und er versteht mich. Er führt meine Gefühle an. Wie sich das für mich anfühlt. Am Ende frage ich ihn, wie er das fände wenn wir wieder eins zu eins zusammenarbeiten würden. Er fände es klasse, sagt er ohne zu zögern. Weil er weiß dass ich verdammt gut bin. Ja, und wenn gerade nicht die bösen Hormone regieren, ist es auch ganz nett mit mir, was?, füge ich zwinkernd ein. Und er sieht mein Zwinkern durchs Telefon.




Und jetzt fällt mir was vom dem HH-Trip ein: den Abend nachdem ich fast eine Nacht im mojoclub durchgetanzt habe, klinkte ich mich nach Essen und ein paar Kneipen aus. Ich war schlau, denn ich klinkte mich aus, als ich noch relativ (relativ) nüchtern war, denn das Hotel war etwas außerhalb. Der andere liebe Kollege schloss sich spontan an. Auf dem Weg ins Hotel schlug er vor, dass wir unbedingt noch einen Absacker zusammen trinken müssten. Er hatte tagsüber einen guten Whisky gekauft. Wir verstehen uns sehr gut. Er hat eine sehr nette und tolle Freundin und deswegen würde ich nie auf den Gedanken kommen, dass da was geht zwischen uns. wir haben schon mal zusammen getrunken und es war völlig klar, wie gut wir uns verstehen (und das wir uns vielleicht auch von einander angezogen fühlen) aber es geht einfach so klar. Da ist dann einfach Freundschaft. Ich mag sowas. Sowas wenn Sex aus irgendwelchen Gründen kategorisch ausgeschlossen wird von beiden seiten und dennoch da eine gr Zuneigung besteht. Wir gingen also in mein Zimmer und er holte den guten Tropfen raus. Wir tranken zum Probieren ein paar Gläser und er war tatsächlich verdammt gut (bekomme das Foto vom Etikett jetzt hier gerade technisch nicht eingebunden, twitter ich gleich). Und dann lenkte er das Gespräch auf den Lieblingskollegen. Ich war kurz überrascht, denn er fragte direkt, was denn da zwischen uns sei. Ja nichts, gute Kollegen halt!, nahm er als Antwort gar nicht erst ernst und bohrte weiter. Dass sei doch alles total offensichtlich, selbst für Fremde (damit meinte er andere, die bei dem Trip dabei waren und weder mich noch den Lieblingskollegen kannten). Und beim dritten Glas erzählte ich ihm die Story des Kollegens, die sonst niemand kennt. Ich erzählte einfach alles. Alles von früher, alles von ihm, alles von jetzt. Er sah kein Ausschlusskriterium. Ich sagte, dass ich mir rein rational keine neue Baustelle an Land ziehen könne, dass ich keinen Partner gebrauchen kann um den ich mich genau kümmern muss wie um meine kaputten Familienmitglieder. Ja ok, dann stelle mir einen anderen vor! du bist klasse und attraktiv, zeig mir die tollen Plan B Männer!, forderte er mich heraus.

Ich weiß nicht ob die beiden über mich gesprochen haben. Ich weiß nicht ob der liebe Kollege dem Lieblingskollegen auf dem Trip bei nem Bier geraten hat, an mir dran zu bleiben weil ich doch eine klasse Frau bin. Ich weiß nicht wie sehr er ihm auf die Füße getreten hat. Ach das ist doch eh alles wie immer viel zu viel für mich.