Abende wie heute sind Luxus, denn ich weiß nicht worüber ich schreiben soll, so für den Tagebuchstil. Hatte mir eben kurz überlegt, mich in die Abizeit zurück zu denken, mich reinzudenken wie schrecklich zu der Zeit alles war und warum das Abi deswegen gar nicht so schlecht ist. Aber ich mochte nicht. Zu gut gehts mir als dass ich Lust auf alte Wunden lecken habe. Warum gehts mir gut, denke ich mir dann weiter. Auf der Arbeit ist es nach wie vor murx, die spinnen alle. Termine mit Chef heute zusammen waren natürlich erfolgreich. Ihm fielen zufällig meine Zahlen vom letzen Jahr in die Hand. Er schaute mich erstaunt an, da sie so gut waren. Ob ich das gewusste hätte. Nee, zeigen Sie mal, ah, wow, aber nee, wusste ich nicht, haben Sie mir nie gezeigt. Ja warum ist uns das denn nicht aufgefallen?, fragt er mich mit großen Augen anschauend. Weil Sie nicht sehen wie gut ich bin, antwortete ich trocken und dabei authentisch. Aber ich mag weiter nichts über den Saftladen schreiben. Das Laufthema ist auch durch. Urlaubsvorfreude wahrscheinlich auch: also ich freue mich einfach riesig. Ich habe was wirklich Gutes gebucht. Ich habe Erholung gebucht. Es wird nicht oberheiß und ich recherchiere schon Wanderungen. Es wird gut. Die kleine Sorge im Hinterkopf dass ich irgendeinen Parameter vergesse, der es nicht gut werden lässt. Ich wüsste nicht was - ich meine: ich fahre alleine ;-) Krank werden höchstens, aber ich glaube das habe ich weitestgehend im Griff. Notfalls mache ich ein paar Tage vorher krank auf der Arbeit. Nein, es wird wahrscheinlich einfach gut. Meine Mutter könnte vorher oder währenddessen sterben, aber den Gedanken habe ich schon durchgespielt: ich würde trotzdem fahren. Höchstwahrscheinlich trotzdem. Naja, ist ja auch egal. Ihr gehts wieder besser btw, sie wurde heute zur Reha verlegt.
Also gut, ich habe den Luxus dass ich nicht wegen irgendwas gerade akut verzweifele und es runterschreiben muss, der Wein oder aber auch Bier steht kalt, das We fängt gerade erst an: die Chance, einen guten Text zu schreiben. Ich habe auch ein Thema im Hinterkopf. Ähnlich wie einen Traum. Das mal in Worte fassen. Wird nicht ganz so klappen, weil ich dann ja doch letzten Endes runterschreibe, aber mal sehen...(tbc)
Im Rückblick war sie gar nicht so schlecht, die Zeit damals. Ich wohnte alleine in einer gemütlichen Wohnung in einer ruhigen Gegend, aber die Innenstadt und das Kneipenviertel waren fußläufig. Ich war eigentlich gar nicht auf ein Auto angewiesen, fuhr aber einen schlichten und dabei feinen Kombi. Es war grandios wie ich diesen großen Wagen in jede kleine Parklücke lenkte, manchmal auch französich, aber irgendwie klappte es immer. Es war die Zeit, in der ich immer einen Parkplatz mitten in der Innenstadt fand - das Glück war einfach irgendwie mit mir. Auch wenn sich das für mich zu der Zeit anders anfühlte und heute denke ich mir: wie gut dass ich das zwischen all den Tränen und all dem Kummer auch genießen konnte.
Die Wohnung war herrlich! Es war zu einer Zeit als sich jeder Laminat legte (das war da noch neu) aber ich wollte edlen brauen Teppichboden. Ich machte ein Schnäppchen und konnte so tatsächlich den Flur und das Wohnzimmer mit so einem feinen brauen Teppichboden auslegen. Irgendwie hatte ich auch immer Geld. Jetzt nicht für große Sprünge oder so, aber was ich haben wollte, konnte ich mir leisten. Nach dem Studium nicht, aber all die Jahre danach in denen ich alleine lebte. Geld war in meiner Erinnerung immer da. Nicht viel, aber für mich war es ausreichend. Urlaube passten immer gut, ich trug nur edle Klamotten (oft reduziert gekauft) und ansonsten gab ich mein Geld für Ausgehen und Sauna aus. Und ich aß viel auswärts. Zwischendurch hatte ich wohl mal sowas wie Geldsorgen, aber ich wusste damals schon, dass das jammern auf hohem Niveau war.
Meine Wohnung war gemütlich schlicht eingerichtet, ich kaufte kaum Möbel, vielmehr gab es ein paar Erbstücke und ein selbstgebautes Regal. Irgendwie passte alles gut zusammen. Der Blick aus dem Küchenfenster fiel auf ein Rosenbeet - was für eine Freude jedes Jahr wenn es anfing zu blühen! Dass ich auf dem Balkon kaum Sonne hatte, verdrängte ich irgendwie. Ich liebte diese Wohnung. In diesem Haus. Es war jahrelang mein zu Hause. Abends saß ich meistens in der Küche an meinem Platz auf der Bank. Machte was im Internet und trank Bier, oder so. Wenn ich jetzt die Augen schließe habe ich immer noch den Blick von meinem Platz in die Küche genau vor mir. Wie eingebrannt.
Ich arbeitete viel, aber das machten wir damals alle so. Nach der Arbeit ging ich laufen, in den Sommermonaten jedenfalls. Ich lief Runden auf dem Sportplatz, ich lief einzelne Stadtteile ab, ich lief einfach. In kurzen Hosen liefen meine langen schlanken durchtrainierten Beine Kilometer für Kilometer. Das machte mir den Kopf frei, habe ich in Erinnerung. Am We ging ich in die Sauna. Es war gut, im Nachhinein. Da war viel Kummer, da waren viele Sorgen, es war zu der Zeit als meine Mutter so schwer krank wurde und auch auf der Arbeit fühlte ich mich nicht angekommen. Aber da waren auch Freunde, da war lachen, da war die-Nacht-durchtanzen. Und letzten Endes war man einfach jung. Die Vorstellung, dass man mal alt sein würde, hatte ich zwar vor Augen, zählte aber nicht. Höchstens in Form von einer Art Zukunftsangst. Meine Güte, wie viele Stunden, Tränen und Ängste hat man damit verbracht sich über die Zukunft Sorgen zu machen! Ich erinnere mich noch genau an eine bestimmte Zeit, in der das ganz präsent war. Jobtechnisch war ich unzufrieden, wusste aber insgeheim, dass es letzten Endes auf was Gutes hinauslaufen würde, weil ich um meine Kompetenzen wusste. Das war nicht wirklich der Punkt (auch wenn ich den zu der Zeit vorschob und überbewertete). Vielmehr war es dieses Nachts-aufwachen und alleine sein. Ich wachte immer gegen fünf auf, musste meistens zum Klo (ich trank viel Bier zu der Zeit, es schmeckte einfach und es schien notwendig). Und dann konnte ich nicht mehr einschlafen. Ich grübelte über irgendwelche Sorgen, wälzte mich hin und her und insgeheim wusste ich: mir fehlt jemand an den ich mich ankuscheln kann. Mir fehlte dieses Gefühl: du bist da, alles wird gut, wir sind zusammen, du nimmst mich in den Arm, ich kann schlafen. Ich erinnere mich dass ich Jahre vorher einige Zeit mit dem einen Typen, diesem Freund verbracht hatte und es war gut denn ich erinnere mich noch genau wie viel wir unterwegs waren, wo wir alles übernachteten und ich das erste mal spürte: wenn ich in deinen Armen einschlafe fühle ich mich zu Hause, egal wo wir sind. Ich nannte ihn glaube ich Nerd. Und ganau das fehlte dann irgendwann auf Dauer. Wenn ich wollte konnte ich per Fingerschnips die hübschestens Typen mal eben aufreißen und mitnehme, und das machte ich auch eine Zeitlang und es war auch stets geil, aber diesen einen Menschen an seiner Seite haben, einfach Liebe, das fehlte auf Dauer. Und ich sehnte mich so sehr danach. Mir war klar, dass ich weder hässlich noch falsch war, aber ich traf einfach keinen der passte. Ich fuhr ein halbes Jahr lang die Strategie ons nicht mitzunehmen, schaute links, schaute rechts, aber ich blieb alleine. Ich versuchte ruhig zu bleiben, wusste schon aus meinem Lebenslauf, dass bei mir alles etwas später kam und dann doch noch ziemlich gut würde und erlebte den Sommer, als ich vierunddreißig war. Ich buchte einfach einen teueren Urlaub, sagte dem Chef meine Meinung und konzentrierte mich auf mich und meine Laufstil. Der Sommer kam verzögert, selbst im Mai musste man noch die Heizung anwerfen, aber ich biss einfach die Zähne zusammen und trainierte für bessere Zeiten. Mich und meinen Körper.
Im Nachhinein ist alles halb so schlimm, sagte meine Mutter immer. Leona Lewis - Run in Schleife.