Vom du und sie
Der Inhalt des Folgenden eignet sich eigentlich bestens, um mal einen ordentlichen, guten Text zu schreiben, aber nun gut, ich schreibe runter, die guten Texte gehören den anderen. Es sei ihnen gegönnt.
Gerade an der Tanke beim Zigarettenholen stellte ich etwas besonderes fest: der Herr Verkäufer siezte mich, obwohl ich an dieser Stelle ein du angebracht finde.
Ich duze ungern. Ich habe von meinen Eltern siezen gelernt und auch in dem Saftladen, in dem ich nun schon seit sechs Jahren arbeite, siezt man in erster Linie. In den Jobs vorher war ab der ersten Minuten stets alles beim Du. Und es war auch nicht besser. Ich mag siezen. Es hat was von Abstand, es hat was von Respekt. Mittlerweile, im Laufe der Jahre, musste sich in dem Saftladen das ein oder andere Du ergeben, aber mit meinen engsten Verbündeten bin ich doch per Sie. Und das gegenseitige Vertrauen ist unglaublich. Ich duze mich mit einer Frau aus der allerobersten Etage, sie bot es mir irgendwann an. Sie ist lesbig (!). Lesbige Frauen mögen mich, wahrscheinlich weil ich nie genau preisgebe, wo ich hingehöre. (Noch Sonntagnacht wurde ich in einem Club angesprochen, ob ich lesisch sei. Ich mag sowas.) Diese Frau von da oben kennt mich aber auch schon seit meiner ersten Stunde in dem Saftladen und weiß vllt auch einfach über meine Kompetenzen. Wir sind einfach irgendwie unausgesprochen dicke, sprich: vertraut. Ich habe im Laufe der Jahre einfach festgestellt, dass ein Du oder ein Sie nichts aber auch rein gar nichts über die Beziehung, das Vertrauenverhältnis aussagt. Und der Kreis derer, mit denen ich mich duze und dabei ein großes Vertrauensverhältnis pflege, ist extrem klein im Gegensatz zu denen, mit denen ich mich sieze.
Im ersten Kontakt sieze ich jeden und ich habe festgestellt, dass ich sogar Kneipenbekanntschaften erst mal sieze. Es sei denn sie könnten meine Söhne sein. Obwohl...fast sogar dann....Dabei fällt mir btw ein, dass es wohl schon recht gut ist, dass ich seit diesem Jahr aufgehört habe, irgendwas für eine Nacht aufzureißen. Meine Güte - es fehlt nicht viel und das könnten meine Söhne sein!!
Ich habe das Siezen also zu Hause gelernt. Ich gehöre noch zu der Generation in der man die Eltern der (Kindergarten- oder Schul)Freunde siezte. Ich beobachte, dass das heutzutage ganz anders gehandhabt wird. Und ich frage mich wie das bei mir mal wird, wenn ich noch Mutter werden sollte. Ich werde doch nicht jede andere Kindergartenmutti einfach so duzen! Ich habe auch beobachtet, dass ich alte Freunde meiner Eltern wie gelernt sieze und diese nun ankommen und mir sagen, dass ich doch bitte du sagen solle, man kenne sich doch schon ewig. Das fühlt sich jetzt wie ok....ich meine, es kommen eh nur noch die Freunde meiner Eltern vorbei, die wirkliche Freunde sind...einige mögen nicht mehr kommen, seitdem meine Mutter so schwer erkrankt ist....

Jedenfalls! siezte mich der Verkäufer an der Tanke eben und ich finde eben wir sind längst beim du. Aus meiner Sicht arbeitet er dort, seitdem ich hier wohne, und das sind mittlerweile elf Jahre. Er kennt alles von mir. Den Ex, ein paar andere Typen, mich völlig fertig nach der Arbeit, mich in Laufshorts, mich im Ausgehlook, mich völlig betrunken - er kennt mich einfach. Mit meiner eckarte stimmte vorhin irgendwas nicht, irgendein Verbindungsfehler oder so (meine Karte sind stets gedeckt, aber das ahnt der aufmerksame Leser gewiss) und wir mussten kurz die Karte nochmal einstecken und dann war irgendwas mit Unterschrift und so. Zuerst fragte er einfach nur zur Begrüßung ob ich die Maxibigbox nehme und fragte dann nochmal, ob das denn mit dem Laufen zusammen klar gehen würde (wir grüßten uns kurz zu als ich den Endspurt meines gr Laufen entgegenrannte), und ich antwortete, dass ich ja genau deswegen so viel laufen würde. Als es dann Zahlungskomplikationen mit der Karte gab, siezte er mich ganz professionell. Dann kam mein neuer Tanke-Schatz Julian dazu! (Bei einem ordentlichen, vorbereiteten Text hätte ich das jetzt verlinkt - der treue Leser erinnert sich sicherlich an den Süßen, der erst ncoh stotterte). Er zwinkerte mit einem Lächeln ein Hi dazu. Jedenfalls hätte der andere, der alte Tankejunge, mich heute einfach duzen können.

Ach man, im nächsten Leben schreibe ich schöne Texte. Auch über du und sie.