Irgendwie landete ich gestern Nacht irgendwann in einem Studentenwohnheim. Genauer gesagt in einem kleinen Studentenwohnheimzimmer. Die sind ja wirklich winzig. Ich saß da in einer Runde von ca. 10 Leuten, wovon ich zwei kannte. Nette Runde, irgendwie. Es wurde Wein getrunken, Gitarre und Ukulele gespielt und gesungen und ich entdeckte sowas wie ein Akkordeon. Mir wurde es sofort wohlwollend rübergreicht, ich legte es an und musste feststellen, dass da erstens nur Knöpfe dran waren, keine Klaviatur und dann noch dazu viel zu wenig Knöpfe. Einer der hochbegabten jungen Leute (vorwiegend Physikstudenten) erklärte mir direkt mit Fachbegriffen aus der Musik wie ich das spielen müsste, da fielen keine Worte wie Akkord oder Moll sondern irgendwas von Tritonus und so. Ich verstand nix, und noch weniger als ich feststellte, dass es sich um gar kein Akkordeon sondern so ein anderes Ding handelt, bei dem der Ton sich je nach auseinanderziehen oder zusammendrücken ändert. Irgendwie konnte ich aber ein paar schöne Mollakkorde rhytmisch hervorbringen und gerade als alle mehr hören wollten weil es sich echt professionell anhörte, wusste ich schon nicht mehr weiter. Ich bin nicht musikalisch begabt. Und leider lernte ich nie irgendwas zu üben. Nun denn. Die Jungs spielten gut Gitarre und Ukulele, recht musikalische Truppe da. Und ich wurde da einfach aufgenommen in diese Gemeinschaft. Und ich fühlte mich auch nicht unwohl. Nettes Mädel saß neben mir, nett kurz geplaudert. Dass der süße Oberschlaue ihr Freund war, checkte ich leider erst am Ende. Den hätte ich so mit nach Hause nehmen können. Jedenfalls wurde musiziert und gesungen und als mein Bier leer war und mir eine Melancholie überkam, nachdem der Süße auf meinen Wunsch hin Hotel California anstimmte, ging ich raus zum rauchen. Die jungen Leute heutzutage rauchen nicht mehr alle. Man raucht nicht mehr in geschlossenen Räumen. Also stand ich mit ihm, einem weiteren Physiker und meiner Freundin draußen und es entstand eine Diskussion, die ich vor zehn Jahren auch ähnlich wie der Süße gestern voller Elan mitgeführt hätte, die mich jetzt aber eher amüsierte. Es ging darum, welche Wissenschaft - Physik oder Sozialwissenschaft - wissenschaftlicher ist. Oder so. Weiß man ja in so Runden nach einigen Runden auch nicht mehr genau worum es jetzt eigentlich nochmal genau geht. Hauptsache jeder haut viel vom Angelesenen raus. Hauptsache jeder stellt sich unheimlich schau dar. Er führte Wittgenstein an und ich nahm ein paar seiner Argumente und nutzte sie für meinen Standpunkt um. Ich beschmunzelte die ganze Diskussion ein wenig, da sie mir zu engstirnig war. Mir kam das alles sowieso so befremdlich vor. Ich gehörte nicht dazu, nicht dahin. Eine Mischung aus meinen üblichen Gefühl, dass es für mich keinen Platz auf dieser Welt gibt (für alle anderen jedoch) und die Überlegung, ob ich was verpasst habe im Leben, weil ich nie in einem Stundentenwohnheim gelebt habe usw. Ich sang auch oben im Zimmer kaum mit, weil ich denke, ich kann nicht singen. Alle können singen, alle können sich an einem Ort platziert fühlen, alle können glücklich sein, nur ich kann das alles nicht. Draußen beim Rauchen und diskutieren - er redete sich um Kopf und Kragen - sah ich das alles jedoch recht entspannt mit meinen Gefühlen, ich kenne mich ja schon. Ich stand da also und nahm alles wie ein unterhaltsames Schauspiel auf und fragte mich, warum man so lange rumlabern muss, man könne ja direkt auf den Punkt kommen und zusammen ins Bett gehen. Er ging wieder hoch zu seiner Freundin, ich torkelte los, die Straße entlang und winkte mir das nächste Taxi herbei. Früher wäre ich extrem depri nach so einem Abend geworden, heute freue ich mich darauf, wenn alles gut wird. Es wird klasse! Es ist ok.