Ahhh, es ist wieder soweit, da ist wieder was in das ich mich reinschreiben kann. Wie luxuriös sich das anfühlt mit Biervorrat und Aussicht auf freien Tag morgen! Es tut gut das Heimatgefühl endlich mal wieder zu spüren. Und überhaupt: mehr und mehr komme ich an in meinem neuen Lebensgefühl. Schreiben mag ich, darüber, wie genau sich der neue Job (gut) entwickelt, oder wie ich nach gefühlten Monaten endlich mal wieder mit der Bierfreundin Bier getrunken habe wie früher, wie seit Monaten nicht mehr; oder darüber wie ich die süßen vielen Flirts nicht weiter verfolge weil ich keine Lust mehr auf diese Kurzzeitgeschichten habe und auch darüber, dass der eine neue Kollege interessant und verdammt sexy und potentiell zu sein scheint. Und über den heutigen Tag und Heimweg, wie ich Unfallzeuge wurde und wartete und das umsonst oder auch nicht war und überhaupt - ich bin in Schreiblaune und ich frage mich, was ich in der letzten Zeit aufgeschrieben habe und ob ich da selbst überhaupt noch mitkomme und ob ich alles Wichtige festgehalten habe. A
Aber zunächst: die Geschichte die mich heute Abend innerhalb Sekunden in Schreiblaune trieb. tbc
[So*nnentanz - Sun d*on´t shine in Schleife] - der Sommer geht aus...Jetzt aber:
Ich kam eben nach Hause und suchte etwas. Bei mir gehen seit Neustem einige Sachen, einfach Dinge, verloren und daher verbringe ich in letzter Zeit viel Zeit damit etwas zu suchen. Da ist immer noch die sdkarte mit den Urlaubsbildern vom Juni-Trip verschwunden, die Aufbisschiene und ein Speicherstick habe ich bereits wiedergefunden, die goldenen Haarspangen kommen und gehen und den Haarreifen habe ich wohl in einer Bierlaune vergeben und der ist als einziger aber auch bereits abgeschrieben. Was neben der sdkarte ein bißchen weh ob des Verlorengegangenseins tut ist das umhäkelte Feuerzeug. Eine Freundin von damals aus der Uni (V.!) schenkte es mir bei einem Wiedersehen, ich habe es sechs Jahre lang genutzt und nicht verloren, seit ein paar Wochen ist es weg. Manchmal verbringe ich Stunden dieses (oder die sdkarte) zu suchen, dann höre ich auf, verdränge es für ein paar Tage und suche dann schließlich doch weiter. Eben als ich nach Hause kam fiel mir spontan noch eine Stelle ein bei der ich noch nicht gesucht hatte: auf der Abzughaube in der Küche in dem Glaskästchen. Dort deponierte ich jahrelang Feuerzeuge neben Handaschenbechern und ähnliches Zeugs. Seit einigen Wochen deponiere ich Feuerzeuge im Schrank im Wohnzimmer. Vorhin fiel mir dann die Stelle auf der Abzughaube wieder ein - kurz gecheckt - kein umhäkeltes Feuerzeug da. Aber dabei fiel mir etwas anderes in die Hand: die metallende Zigarettenschachtel des Opas meiner Mutter. tbc
Es handelt sich um ein silbernes Taschenetui. Mit einer kleinen Spange lässte es sich aufklappen (die Mechanik funktioniert noch einwandfrei), auf beiden Schenkeln kann man innen dann hinter einem Gummizug Zigaretten stecken. Außen sind seine Initialien eingrawiert: J. H. Joseph H. hieß der Opa meiner Mutter. Innen ist ebenfalls etwas eingrawiert worden: Ostern 1921. In dem Moment als ich das eben (wieder) las, kam dieses Gefühl. Sofort sind meine Gedanken bei Ostern 1921. Meine Mutter schenkte mir dieses Etui vor einigen Jahren. Damals, als sie schon von ihrer Krankheit wusste, uns aber ein zwei Jahre lang nichts davon sagte. Und in diesen ein zwei Jahren räumte sie das Wichtigste auf. Sie grub Schätze aus. Sie schenkte mir das Etui mit den Worten: schau mal, da kannst du deine Zigaretten reinstecken und dann kannst du dir vornehmen wie viel du rauchst, mal nur eine oder zwei, das ist gut zum Einteilen. Und jetzt meine ich mich zu erinnern dass sie mir mehr von diesem Geschenk erzählte. Ihre Großmutter schenkte es diesem Mann zu Ostern 1921 - vllt waren sie gerade verlobt oder so. Die beiden lernten sich erst spät kennen, die Frau hatte bereits ein Kind, welches so unter der hand einfach mit ihrem kl Bruder auwuchs. Sie war damals Karrierefrau und aus Erzählungen meiner Oma (also deren Tochter) weiß ich, dass diese Frau ihr mal in vertrauter Minute erzählte, dass dieses erste Kind in einer quasi Vergewaltigung gezeugt wurde.
Diese Frau lebte also als Karrierefrau in einer damaligen Weltstadt (Hafenstadt) und hatte dieses erste Kind, was mit dem kleinen Bruder (so ein Spätnachkömmling) einfach in der Familie mitaufwuchs und dann lernte sie auf einer Hochzeit diesen anderen Mann kennen, mit dem sie anscheinend Ostern 21 schon so dicke war, dass sie ihm dieses Zigarettenetui mit Gravur schenkte. Und irgendwie hat meine Mutter das dann irgendwie bekommen oder ich denke viel mehr, sie hat es einfach schnell eingesteckt als die Wohnung ihrer Großeltern ausgeräumt wurde, ein paar Jahre nachdem der Großvater gestorben war und die Großmutter zu ihrer Tochter (also meine Oma, Mutter meiner Mutter) zog weil sie nicht mehr alleine bleiben konnte. Jedenfalls hatte meine Mutter dieses Etui im Schlafzimmer versteckt, in irgendeinem Schrank, irgendeiner Schublade, weit hinten, versteckt, dort, wo ich auch einige Zeit später Flyer von meiner Abiparty (!) fand. Sonst nicht viel. Famlienbuch vllt noch. Als ich für den neuen Job eine Geburtsurkunde benötigte (öffentlicher Dienst halt), fragte ich meinen Vater ganz naiv, ob er sowas von mir hätte. Insgeheim wusste ich genau, dass meine Mutter alle wichtigen Dokumente und Unterlagen so für uns hinterlassen hatte, dass wir sie sofort finden können. Verdammt, wie gut sie uns vorbereitet hat....Ihr Zustand ist mittlerweile übrigens so, dass sie mich immer seltener erkennt, viel mehr Zeit braucht um mich zu erkennen. Sie hat übrigens eine Dekubitus aus 2,5 Wochen Pflegeheim mitgebracht. Es wird als das beste Pflegeheim in dieser Stadt gehandelt und mein Vater hat gut draufgezahlt (einige Kosten werden übernommen für Kurzzeitpflege wenn man zu Hause pflegt, Kost und Logie quasi muss man selbst zahlen). Mein Vater pflegt die Wunden aber erfolgreich weg - ich sag immer: Papa, du bist der beste Zivi den wir je kriegen konnten! ;-)
Nun dennn. Ich fand also eben dieses Etui. Und ich fragte mich sofort wie das wohl war an Ostern 21. Diese Frau hatte dieses Etui irgendwo in dieser damaligen Weltstadt gekauft, hatte die Gravuren veranlasst und dann stelle ich mir vor, wie dieses verliebtes Pärchen sich traf und sie es ihm schenkte. Was schenkte er ihr wohl? Sie verdiente um Längen mehr als er. Es müssen liebe Menschen gewesen sein. Liebe Menschen die sich sehr geliebt haben. Sie lernten sich zufällig auf einer Hochzeit kennen. Ich erinnere mich leider nicht mehr was meine Oma mir erzählte von wem die Hochzeit war. Es war sicherlich eine tolle Feier.
Überhaupt: die Familie meiner Oma mütterlicherseits muss sehr liebe gewesen sein. Und ich glaube das hilft meiner Mutter jetzt auch so sehr in ihrer dunklen, einsamen, verstörten Welt: dass sie einfach in einer sehr liebevollen Umwelt aufgewachsen ist. Diese Großeltern lebten dann übrigens lange in der Nähe des hiesigen Schauspielhauses - meine Mutter ging dort mit ihnen als Kind oft hin. Sie erzählte mir, als wir das letzte Mal zusammen dort waren, wie damals nach dem Krieg dort was renoviert wurde, und zwar am Haupteingang oben an den großen Pfeilern die Manschetten. Die waren nämlich nicht immer weiß, die sind eigentlich bronze. Sie ging mit ihrem Opa dort spazieren, als sie weiß gestrichen wurden...
Ich rauche viel zu viel in letzter Zeit. Vielleicht teile ich mir meine Zigaretten mal ein. Das Etui liegt bereit.
(Ich lass die Vertipper jetzt mal einfach stehen. Und man hätte das auch beser, leseverständlicher schreiben können....)
Genau jetzt könnte jemand nach Hause kommen und mich vom Küchentisch abholen und ins Bett lotsen.
Ich habe auf den heißen Typen neulich bewusst verzichtet, ich habe heute beim Autounfall mit einem anderen heißen Typen keine Nummern ausgetauscht (hatte Visitenkarte schon bereit) und ich habe das Fickdate für heute Abend abgesagt. Ich mag keine Schallundrauchnummern mehr. Ich wünsche mir jemanden der nach Hause kommt. Und ich weiß so genau ganz tief in mir drin dass es diesen Menschen gibt. Mit dem Job war das ähnlich. Jetzt einfach weiter ganz feste dran glauben - mit dem Job hat das ja auch geklappt. Weiter durchhalten....