Es ist soweit! Pms at its best! In der Wohnung herrscht Chaos hoch fünf aber ich will jetzt schreiben statt aufräumen und putzen.
Mein Vater ist verreist und meine Mutter in einer entsprechenden Unterkunft. Immer wieder stelle ich bei solchen Situationen/Unterbringungen fest: es ist gut dort zwischendurch mal unangekündigt zu den undenkbarsten Uhrzeiten spontan aufzutauchen. (Verwandte kommen Sonntags um drei zu Besuch, nicht um kurz vor sechs.) Der Laden ist top. Und dennoch: als ich um viertel vor sechs dort ankam, wurde sie liegend im Bett von einem Aushilfsmädchen gefüttert, die Hälfte vom Essen fiel aus dem Mund raus und schlucken kann sie eh schon nicht mehr gut.
Zum Glück begann auch gerade mein Lieblingspfleger (-> zuckersüß und kompetent) seine Schicht. Ich atmete tief durch und machte ganz deutlich die Ansage, dass essen halb liegend im Bett Mist ist. Er war auch überrascht was da abging. Wir redeten noch ein bißchen und ich fuhr einfach (!) wieder. Es war eh keine Ruhe dass meine Mutter mich erkannt hätte und mir geht es nicht gut. Ich dachte mir, ich muss ja gut für mich sorgen, auf meine Ressourchen achten, und wäre ich länger dort geblieben, wäre ich doch noch ausgeflippt oder hätte am Ende geheult. Meine Ansage, dass mir die Situation, meine Mutter nur im Bett liegen zu lassen und dort zu füttern nicht passte, war deutlich. Mehr konnte ich heute nicht tun. Dienstag fahre ich wieder hin.




Jetzt sitze ich hier bei Bier am Küchentisch, weine nicht, und es tut unheimlich gut so das We ausklingen zu lassen.
Bei den Freunden mit den Kindern war ich heute. Geburtstag. Die Kleine wurde drei. Sie fand ein Versteck unterm Tisch und zupfte an meinem Bein flüsternd: ich solle auch hinunter kommen. So kroch ich mit unter den Tisch und wir unterhielten uns in aller Ruhe abseits des ganzen Besucherrummels flüsternd und versteckend. Schließlich holte sie noch ihre Mutter hinzu (etwas größer und unbeweglicher als ich) und so hockten wir drei Frauen ein paar Minuten und eine gefühlte unglaublich entspannte Ewigkeit zusammen unterm Tisch an dem die ganze Verwandtschaft saß.

Ich war heute morgen in der Muckibude, schön trainiert, gepumpt, bißchen gequatscht, nach wie vor mein Lieblingsort und nur der Moment unterm Tisch mit dieser kleinen Frau konnte den Sonntag heute noch toppen.

Der ältere Junge wurde vorletzte Woche übrigens fünf. Tagelang konnte ich von seiner festen Umarmung zehren als ich ihm gratulierte und ihm happy birthday ins Ohr sang. Er war heute auf einem Kindergeburtstag und wir verpassten uns (weil ich eben noch zu meiner Mutter wollte). Ich hatte ihm auch ein kl Geschenk mitgebracht, ein Lernbuch, irgendwas mit Buchstaben schreiben lernen, da er dabei noch nicht soweit ist wie die anderen Kinder, erzählte mir die Freundin neulich. Und dabei ist sein Name simpel und kurz. Er ist aber vielmehr beschäftigt mit rumrennen, Geschichten erzählen und Spaß machen. Zum Schwimmunterricht wolle er nicht mehr gehen, erklärte er seinen Eltern neulich, das sei ihm dort zu streng.

(Natürlich wird er weiterhin dorthingehen.)

Themenwechsel. Wir könnten ein Haus kaufen!, planten der Herzmann und ich vor ein paar Wochen. Nach gefühlten fünf Traumhäusern meinerseits und ein zwei Besichtigungen und einem Kassensturz sind wir nun viel mehr auf dem Trip, dass wir was Schönes mieten und das Leben genießen statt die nächsten zehn Jahre ein zweihundertquadratmetergroßes, freistehendes Einfamilienhaus abzuzahlen. In zehn Jahren geht er nämlich in Pension, und dann muss es abgezahlt sein. Ich brauche sowas nicht zur Altersabsicherung, ich bin bereits abgesichert. Er auch. Also wofür dann noch krumm machen. Wenn wir was wirklich exklusives nähe des Arbeitsplatzes mieten, stehen wir uns finanziell so wie jetzt. Und es tut gut das Leben genießen zu können. Geld macht nicht glücklich, Geld beruhigt, sagte meine Oma immer.
Wir legten in den letzten Wochen unsere Finanzlage gegenseitig offen. Er verdient echt ein Schweingeld. Und ich habe viel im Rücken, später.

Ich freue mich so. Alles fühlt sich so stimmig an. tbc

Ach, der Herzmann. Er ist ein Schatz. Ich bin unendlich dankbar, dass es diesen Menschen gibt. Seit der Woche auf meiner Insel haben wir uns nicht mehr getroffen, höchstens auf der Arbeit, zwischen dem Stress (dort war jetzt saisonbedingt die größte Stressphase des Jahres) kurz zusammen eine geraucht oder mal zwanzig Minuten einen Kaffee zusammen getrunken. Er wohnt direkt bei der Arbeit, ich ja fünfzig km entfernt. Er hat diese Mörderkopfschmerzen, die alleine ein/zwei Jahre für ein paar Wochen nachts auftreten. Ich hatte viel zu tun. All meine neue Ideen auf der Arbeit, die ich seit einem Jahr (ich bin schon seit einem Jahr in dem neuen Job!!) entwickelt habe, setze ich nun um. Es ist viel, es ist Stress. Die Lieblingsfreundin fragt skalenähnlich ab, wie der Stress im Verhältnis zu dem Stress bei der alten Stelle im Saftladen steht: die letzten drei Wochen waren so, wie die letzten sieben Jahre nonstop waren mit einer Ausnahme: ich muss keine Angst haben, dass mir jemand ans Bein pisst. Vorgesetze, Kollegen, alle stehen hinter mir. Eustress war das die letzten Wochen. Und ich war gut!! Oh ich war so gut!! Es tut so gut einen Job gut zu machen und keiner grätscht einem rein. Manchmal stehe ich neben mir und staune mich an: wow, bist du das?
Der Herzmann hatte auch etwas Stress, aber ist auch sehr erfahren. Besonders schön war eine Aktion, die wir zusammen gemacht haben. Als ich stockte, übernahm er einfach. <3

Donnerstag bin ich bei ihm geblieben. Ich wollte Freitag zurückfahren, blieb aber dann doch noch bis gestern mittag. Wie sehr wir die gemeinsame Zeit genossen haben. Und wie klar uns war, dass wir das nicht nochmal soweit kommen lassen, dass wir uns wochenlang nicht in Ruhe sehen.

Es ist nicht alles perfekt. Es ist realistisch. Es gibt Momente, in denen sich der eine vom anderen nicht richtig gehört fühlt. Und: es gibt immer wieder den Moment, in dem wir darüber sprechen können. Ich hatte gute Beziehungen, ich habe geliebt und ich wurde geliebt, und ich habe noch nie sowas erlebt, eben dass man immer wieder schnell eine Ebene findet, auf der man reden kann. Er ist mein Seelenheil, beschreibt die Lieblingsfreundin diese Beziehung.

Warum er mein Seelenheil ist, beschreibe ich ein anderes Mal. Der werte Stammleser erwartet wahrscheinlich viel mehr die angekündigten Fotos.

Ich kann mich nur wiederholen: Ich freue mich sehr für Sie.

arboretum lässt rote Rosen regnen.

:-)

danke.
:-)

(für pms geht es mir ziemlich gut, stelle ich gerade fest)

Ich war heute wieder bei meiner Mutter. Ich hatte Sonntag angekündigt, dass ich heute vorbeikomme.

Mir ging es schlecht. Habe mir am We beim Sport was an der Hüfte gezerrt und nach pms kommen Bauchschmerzen. Ich kam gut durch, der Verkehr war harmlos heute. Eine halbe Stunde vorm Abendessen erreichte ich das Pflegeheim. Mir ging es so schlecht, ich hätte einfach heulen anzufangen können. Alles tat weh, auch das Herz, bin ich doch an so Tagen wie heute so sensibel. (Ich war traurig, denn ich dachte, ich könne mich auf den Herzmann nicht verlassen, ein Gefühl, Angst. Angst, dass ich mich nicht auf ihn verlassen könne). Ich dachte ich könne in dem Zustand unmöglich ins Pflegeheim und schon gar nicht eine halbe Stunde vorm Essen, was ich meiner Mutter "anreichen" (sprich: füttern) wollte. Spontan bin ich einfach am Heim vorbeigefahren, in eine Gegend, in der ich mich nicht auskenne. Der Tank war voll und ich hatte Zeit, also fuhr ich einfach die Straße weiter, immer geradeaus. Irgendwann kam ich an einem Lieblingssupermarkt an und ging einkaufen. Ich brauchte nichts dringend, ging aber einfach rein und kaufte ein. Auf Vorrat quasi. Mir schien das in dem Moment so sinnig, einfach etwas zu machen, für ein paar Minuten, etwas, was ich "einfach" kann. Wie schlau ich bin!, dachte ich mir dann: wenn ich total blockiert bin, mich nicht mehr handlungsfähig fühle, dann suche ich einfach schnell was, was ich machen kann. Können im Sinne von "savoir". Einfach eine kurze Tätigkeit suchen, von der man weiß dass man sie hinbekommt.

Ich finde ich bin gut mit mir geworden. Lange habe ich mir das erarbeitet.

Später bei meiner Mutter war alles bestens. Die Pflegerinnern waren obernett (nehme denen ja auch Arbeit ab, wenn ich meiner Mutter das Essen anreiche ;-) und meine Mutter saß schön gekleidet und frisch frisiert im Rollstuhl statt im Bett. Man könnte denken, es lag an meiner Ankündigung, dass ich heute komme, nach meienr Ansage am Sonntag. Aber nein, ich weiß andere Parameter ob es meiner Mutter dort gut geht oder nich.
Sie erkannte mich schnell. Manche sagen, ich spinne, aber ich spüre ob sie mich erkennt oder nicht. Sie weiß meinen Namen nicht, nein, sie sagt auch nichts direkt zu mir, nein, und sie weiß auch nicht dass ich ihr Kind bin, nein. Aber ich spüre ob sie erkennt, dass "ich" da bin, ein Mensch der ihr sehr am Herzen liegt. tbc

Ich glaube es ist sowas wie ein umgekehrter Mutterinstinkt. Schade, dass ich (noch) keine Kinder habe, sonst könnte ich das Gefühl sicherlich besser erkennen und beschreiben....Wenn ich mit Pflegerinnen, die selbst Kinder haben (und meine Mutter sein könnten...) darüber spreche, bestätigen sie diese Wahrnehmung und auch die Freundin mit den Kindern, kann das nachvollziehen.
Heute war noch was anderes. Mir fiel irgendwann auf, dass ich dauernd meine Mutter sorgenvoll anschaue...dann dachte ich mir, dass das ja auch Mist ist wenn sie dauernd in mein sorgenvolles Gesicht schaut. Und so schaltete ich um, machte Späße, alberte rum, so wie wir früher herumgealbert haben, auch viel, als ihre Diagnose schon stand und sie noch realtiv fit war. Das ist dann so ein bestimmter Tonfall zwischen uns wenn wir das ganze einfach ins Lächerliche ziehen, Beispiel: ich stecke ihr ein Stück Butterbrot mit Leberwurst in den Mund und sage eben in diesem bestimmten Tonfall: Oh madame, mundet Ihnen dieses Brot oder ist Leberwurst nicht entsprechend für Sie? Früher hätte sie dann zb in diesem bestimmten Tonfall gesagt: Nein, Fräulein, ich bevorzuge ausschließlcih, ausschließlich sage ich Ihnen! Konfitüre aus dem eigenen Garten!
Omg, wieviel Spaß hatten wir wenn wir rumspinnten! Unser Lieblingswort war "dementsprechend." Die und die Leute gehen nur in dieses und jenes Restaurant, weil das eben dementsprechend war. Und die und die kaufte nur Klamotten da und da weil das eben dementsprechende Kleidung war.
Wir konnten so einen bestimmten Augenaufschlag dabei machen.
Der Höhepunkt in unserem Rumspinnen (schon lange bevor sie krank wurde) war, dass wir spielten, sie sei Französin. Sie spricht kein Wort französich, konnte aber gut so tun. Wir trafen uns in der Stadt, begrüßten uns, ich laberte irgendwas auf französich los und sie tat in französischer manier und sagte sowas wie "ah bon!".. Der Gipfel war dann beim fünfjährigen Abitreffen als ein Mitschüler sagte: ja, war ja klar dass du so gut in Französisch warst, deine Mutter ist ja auch Französin!
Der Typ war immer schon bekloppt und meine Mutter und ich feierten solchen Momente.

Und heute fühlte es sich an wie ein solcher Moment. Wir beiden zusammen, ein bißchen bekloppt alle beide, und wir beide zusammen. Sie hängt durch, sie hängt auf halb acht in ihrem Rollstuhl. Ihr Gehirn ist krank. Und sie ist noch nicht tot. Es tut weh. Ich glaube uns beiden gleich. Und heute haben wir es mal wieder genossen in Ruhe eine Stunde alleine zusammen zu sein, abseits von meinem Vater, abseits von allem, nur wir zwei.

Sie war keine perfekte Mutter, nein. Aber für mich in diesem Leben ist sie es. Tränen laufen jetzt über mein Gesicht, weil sie nicht mehr mitbekommt, wie sich bei mir plötzlich alles zusammenfügt, der Job, der Mann, ich mit mir. Und so denke ich dennoch: sie spürt dasss es mir jetzt endlich "wirklich" gut geht.

(Sie hat Schienen für die Hände bekommen, damit keine krallenhände bekommt, was weiß ich. Ich habe ihr die Schienen abgenommen, das ist nicht das richtige für sie. Ich nahm ihre Hände in meine und sie entspannte sofort. jetzt noch schnell die Pflegerinnen briefen damit sie das meinem Vater weitergeben, dass die Schienen gut für ein paar stunden am Tag sind, aber mehr nicht uswusf........)