Donnerstag, 17. Mai 2012
Wie krass pervers das ist wenn die Sonne beim nem Horrortrip schein. #summertimesadness



Ich wollte um kurz vor zwölf da sein, um zwölf gibt es Essen, aber ich war erst um viertel nach da. Dieses Autofahren gegen die Uhr, dieses arbeiten, besprechen, loskommen, alles gegen die Uhr. Der Blick auf die Straßenränder - nicht noch ein Blitzer dieser Woche. Ich habe in den letzen zwei Tagen gefühlte 10 Punkte gesammelt. Wir sind auf die Fotos gespannt.

Sie sitzt da, fertig gegessen. Sie sitzt da bei Frau T am Tisch. Frau T ist alt und weiß nicht wo sie ist. Ich weiß mittlerweile, Frau T hatte eine so traurige Kindheit, Frau T war noch nie glücklich mit sich in ihrem Leben und wird es wohl auch nie mehr. Aber Frau T ist gut in ihrem Herzen. Ich weiß das und ich weiß, dass es gut ist dass sie da bei Mutter sitzt. Immer. Wenn meine Mutter könnte, würde sie sich mit Frau T unterhalten und es täte Frau T gut.
Ich komme immer freundlich lächelnd herein, begrüße alle, guten Apetit! , versuche den tristlosen Raum mit Leben zu füllen. Spreche mit Frau T. und lege Frau W. eine Zeitschrift hin. (Frau W. ist undankbar, aber lassen wir das dieser alten Frau jetzt einfach mal durchgehen.)

Carlie Overloaded betritt den Raum, und hat schon gewonnen. Sagte vor über zwanzig Jahren jemand zu meinen Eltern über mich.

Sie sitzt da, fertig gegessen. Ich stürme business-frauen-like den ganzen Laden, große feste Schritte über den langen Flur, begrüße alle laut und deutlich, es kommt rüber als wäre ich Mrs. Oberboss, alle stehen stramm. Schmeiße schließlich meine gr Handtasche zu Boden, beuge mich zu meiner Mutter im Rollstuhl runter und während ich mich runterbeuge, wechselt meine Rolle, weg vom Ansagen machen, weg vom Stress, weg von gr weiten lauten Schritten. Ich spreche sie mit Mama an, kuschel sie, nehme sie in den Arm. Ich sehe ihre Haare wurden gewaschen, ich checke sie wurde gebadet. Drei große laute Schritte in die Küche, quatsche das junge Mädel an was da Praktikum Ausbildung oder whatever macht. Zwei drei freundiche aber bestimmte Fragen über Essen Trinken und Medikamente. Sie antwortet kleinlaut, dass Frau Mutter-Carlie-Overloaded mittags keine Medis bekommt und ich lächel sie an weil ich weiß sie kann nichts dazu aber dabei sage ich laut und deutlich und bestimmt dass es doch ein Medi ffür mittags gibt, das Flüssige, nicht in tablettenform und... Ich kann sowas. Ich kann dieses das-ist-nicht-korrekt-aber-ich-weiß-du-kannst-nichts-dafür-weil-es-nicht-in-Packung-lag-Ansagen machen und eine kleine Azubine oder whatever muss sich nicht schlecht fühlen durch meine Ansagen aber von weither kommt die PDL angerannt und bringt das flüssige Zeugs und rechtfertigt sich direkt bei mir, dass sie noch nicht soweit war. Jaja. Sage ich mit einem Lächeln, ist schon ok. Alle wissen, es wäre vergessen worden. Ich werde gehässig beim Schreiben, und dabei wollte ich doch was Schönes erzählen.

Ich flöße meiner Mutter das flüssige Zeug ein, es schmeckt widerlich, ich weiß, aber sie trinkt, noch ein Schluck Mama, sie trinkt aus. Wasser zum Nachspülen. Nicht wirklich fachmännisch schaffe ich es den Rollstuhl aus der Enge raus in die Mittagssonne zu schieben. Ich sag noch so, oh man, dafür habe ich ja echt keinen Führerschein und wir lachen. Wir lachen die ganze Zeit. Irgendwie machen wir uns eine Spaß aus der ganzen Situation. Wir. Lachen. Ich freue mich. Schiebe sie in die Sonne, schön, sagt sie. Wir sind für uns, draußen alleine auf der Terasse, sie hat mich längst erkannt, versucht mir was zu sagen. Dass alles schon so ok ist oder so. Irgendwie sind wir einfach glücklich zusammen, erzähle ihr was, sie versucht auch und die ganze Stunde über lachen wir immer wieder. Es ist gold Wert für mich. Dass sie mich anschaut, mich erkennt, mit mir lacht.

Das war der schönste Tag seit langem für mich. Nach 48 h Horrortrip, nach 48 h mit den Herausforderungen und Verantwortungen wachsen, mit Wachstumsschmerz, war heute wahrschein einer der wichtigsten Tage in meinem Leben für mich. Ich bin überwältigt. Overloaded, alles zu viel. Zu viel des Guten.



Mittwoch, 16. Mai 2012
Wenn ich jetzt zur Ruhe kommen würde, käme alles hoch, käme alles raus. Das wäre gut. Denn die Zeitspanne, in der mein Vater nicht da ist und die ganze Verantwortung für meine Mutter auf meinen Schultern liegt, hat gerade erst angefangen. So wie es jetzt ist, werde ich es nicht bis nach Pfingsten schaffen, ohne Zusammenzubrechen. Und ich will nicht zusammenbrechen. Aber es ist auch keine Zeit zum Runterkommen. Wenig Schlaf, viel Arbeit und dann noch den Spagat mit der Verantwortung hinlegen. Ich habe in den letzten vier Tagen mehr Sprit verfahren, als sonst in drei Wochen. Ich lebe im Auto, hänge dabei an den Verkabelungen fürs Handy, mehrere Programme laufen nonstop parallel in meinem Kopf auf Hochtouren. Ob bei meiner Mutter oder für den Job, ich schaffe es gerade eben nur das Nötigste zu klären und es fühlt sich alles so verdammt unzureichend an.



Dienstag, 15. Mai 2012
"Sie stirbt zweimal."



Notiz an mich:
hier mal Uhrzeiten bei Kommentaren einfügen. Und versuchen twitter einzubinden.



Heute das erste mal in meinem Leben in einer Notaufnahme ausgetattet mit Patientenverfügung und Vollmachten gestanden und im Flurgespräch einer kleinen jungen Ärztin zwischen Tür und Angel meine Entscheidungen mitgeteilt.

Heftig. Adrenalin pur. Tunnelblick. Extrem scharfes Nachdenken. Nichts mehr spüren, alle Kräfte bündeln um den Kopf klar zu halten. Quasi wie eine Kühlung. Emotionen wie ausgeschaltet. Kein einziger Gedanke an mich oder sonst wen, nur diese extreme Konzentration, um der großen Verantwortung gerecht zu werden.

Im Nachhinein: richtige Entscheidungen. Ein zwei Dinge morgen früh nochmal abklären. Wenn auch die anderen Beteiligten wieder einen klaren Kopf haben.