Freitag, 9. November 2012
Oft schaue ich morgens kurz hier rein um zu sehen was ich da abends produziert habe. Im Suff. Manchmal schäme ich mich, manchmal so sehr, dass ich was lösche oder vielmehr offline setze.

Heute fiel mir dann wieder ein, dass das nicht nötig ist. Das ist doch hier mein Luxus, einfach runterschreiben, einfach anonym runterschreiben was mir durch den Kopf geht, was ich fühle. Und wenn das jetzt gerade in meinem Leben so ist, dass ich hier fast nur schreibe wenn ich trinke, dann ist das eben so, dann spiegelt sich genau das hier einfach auch nur wider. [Es heißt widerspiegeln, nicht wiederspiegeln, oder?]

Ich habe gefühlte eine Mio schwierige Termine diese Woche abgerissen, Termine in denen es um Tinte ging. Der Wert gestern lag wahrscheinlich ungefähr bei zweihunderttausend, heute vielleicht bei dreihunderttausend. Vielleicht ging es auch um eine Null mehr. Ich weiß das nicht genau, von Zahlen habe ich keine Ahnung. Die Zahlen kennen die anderen. Mich schickt man nur hin um ein freundliches Gesicht zu präsentieren was zur Tinte führt. Verträge müssen jetzt endlich zur Tinte kommen? Stellt sie dorthin, gebt ihr ein entsprechendes Ambiente, gebt ihr einen Pointer in die Hand und lasst irgendeine Präsi laufen, lasst sie labern, gebt ihr eine Bühne und das Ding läuft.
Heute war der Chef dabei, denn heute war wirklich wichtig. Es war so cool. Wir waren so angespannt, aber wir blieben einfach cool. Wir sprachen nur die Argumente ab, bastelten irgendwelche Charts zusammen und legten los. Wir sprachen nicht ab wer was sagt, wann wer was sagt, wann wer moderiert. Kurz vor der Veranstaltung, also so zwei Minuten vorher, fragte er mich ob ich wüsste was ich gleich sagen soll, dass er mir dann das Wort übergibt. Ich wurde nervös ob des wirklich schwierigen Termins und sagte ehrlich, dass ich keine konkrete Rede vorbereitet hätte, nichts Wort für Wort. Das ist gut!, antwortete er. Einfach spontan, einfach aus dem Bauch heraus, das können Sie, das ist eh immer am Besten, motivierte er mich weiter und ich habe gespürt: genauso meinte er es auch.
Erst jetzt, Stunden später, wird mir bewusst, wie krass er auf meine Kompetenzen vertraut, so ein sensibler Termin und so viel Verantwortung dass dieser Termin gut verläuft traut er mir zu. Es war toll. Und es war erfolgreich.

Was ich eigentlich erzählen wollte: Ich war gut mit mir diese Woche. Dienstag Abend Sauna. Ich hatte mir das so geplant und spontan kam die liebe Kollegin von weiter weg mit (wohnt in meiner Stadt). Heute abend war ich oberfertig, aber dennoch die Verabredung mit dem alten Mann, der aus dem Urlaub, der mit dem ich in die Muckibude gehe, nicht abgesagt. Getroffen, trainiert, (sechs Klimmzüge aus dem langem Arm), gegenseitig motiviert, Zeit zusammen genossen und er vernetzte mich noch mit dem süßen Zuckertypen dort. (Wobei ich ein Auge auf einen anderen geworfen habe, dazu schreibe ich ein anderes Mal).
Wir hängen nebeneinander in irgendwelchen Geräten, er pumpt, ich schaue ihm dabei zu. Was ist?, fragt er weil ich nicht pumpe. Schön dass du da bist, antworte ich. Auf dem Heimweg erzählt er mir von - orrr, jetzt zu kompliziert - im weitesten Sinne oberflächlichen zwischenmenschlichen Beziehungen in die geraten ist und davon wie sehr manchem Menschen nicht leben. Und dann erzähle ich ihm, was ich mir beim Trainieren so gedacht habe, als ich sagte und das ich das auch wirkich so meinte, wie schön das sei dass er da sei: die Frage ob es für mich oder für ihn schöner ist dass der andere da sei. Ich: er ist jetzt da, er wird noch ein paar Jahre da sein, aber es werden noch viele Jahre in meinem Leben kommen, in denen er nicht mehr da sein wird (er ist Mitte Ende sechzig) oder er: das Leben geht in den Endspurt, da kommen nciht mehr viele Jahrzehnte, er genießt diese Momente mit Menschen die ihm was bedeuten daher sehr intensiv. Ja klar!, sagt er. Er genieße sehr intensiv. Du bist der beste Coach, sage ich zum Abschied der drei Verabschiedungen beinhaltet. Und du bist meine Meisterschülerin, ruft der pensionierte Lehrer mir zu als ich glücklich ins Auto einsteige.



Ich glaube früher war alles weniger zu viel. Ich finde es interessant zu beochten, wie sich "Probleme"verschieben. Alles zu viel, gab es früher nicht, oder wurde vielleicht einfach besser betäubt oder vielleicht gab es früher einfach noch viel mehr die Option dass alles gut wird. Je älter man wird desto kleiner wird dieses "wird" in alles wird gut. Vielleicht glaubte ich früher einfach noch viel mehr an dieses Später, wenn alles Gut wird. Ich weiß es nicht. Aber alles was jetzt nicht gut ist, ist mehr nicht gut als es früher nicht gut war. Die ganze Klamotte wird zentrierter, esentieller. Optionen verengen sich mit den Jahren. Immer Weniger wird möglich.

Oder immer mehr! Weil man nun mehr zehren kann von dem, was man Erfahrungen nennt. Dennoch: der Kreis wird enger.

Früher war auch alles zu viel. Verzweifeln, diskutieren, den Kopf gegen die Wand schlagen, weinen, rausgehen, rauchen, mit einem (!) Bierchen abkühlen, nochmal drehen, weiter rauchen, stumpf betäuben, nach Hause kommen und direkt ins Bett fallen, morgen ist alles wieder gut, oder später, später wird alles gut sein, in die Matratze gedrückt, Gedanken schwer, Kopf leer, sinken, schlafen, aufstehen, das nächste Ziel (Schulabschluss) fokussieren, Kopfschmerztablette, Kaffee, Tee und fette Beats, Tag überstehen, und dann, wie gestern: verzweifeln, diskutieren, rauchen, rauchen, abkühlen, lange nach Hause laufen, ins Bett fallen, erholsam schlafen, alles wird gut................

Einmal depri immer depri, einmal betäuben, immer betäuben. Das mit dem "alles wird gut" war ein fake, ich habe es geahnt.



Donnerstag, 8. November 2012
Mal einfach Tagebuch schreiben.

Heute sah ich besser aus als gestern, denn gestern Abend habe ich nicht so viel getrunken wie vorgestern. Dennoch sehe ich nicht mehr gut aus. Das alles hinterlässt Spuren. Und mir überkommt die Angst, dass diese Spuren nicht spurlos an mir vorübergehen. Die Kollegin meldet sich krank, ich arbeite für zwei und der Chef macht auch nur den Eindruck, als würde er gleich anfangen zu weinen.

---------Ich kann diesen Tagebuchmodus garnicht-----------

Ich arbeite. Ich checke mein Handy. Der Typ schreibt, der Typ will mich treffen, der Typ checkt nicht dass ich gerade wirklich nicht kann. Die Woche ist hart. Das We beinhaltet drei Tage Fortbildung am Stück. Vorher gefühlte eine Mio Termine (schwierige) auf der Arbeit abreißen. Auch abends. Ich komme nicht mehr mit, alles zu viel, alles zu viel. Ach wäre ich doch nicht mit ihm neulich ins Bett gestiegen, ach wäre mir doch nicht immmer alles zu viel, ach ach ach, alles zu viel, ich brauche Urlaub, ich muss weg, ich will weg, ich gehe nicht weg, ich sitze non stop im Auto und höre Musik wie damals, Ende der Neunziger, als man noch dachte, die Beats können nicht mehr fetter werden und ich schalte um aufs Radio und höre nur noch bling bling, deine Augen machen bling bling und alles ist vergessen-------------------alles zu viel, alles viel zu viel



Wenn du eine Freundin als Statussymbol suchst, dann bin ich nicht die richtige. Ich gehöre nicht zu den Frauen die sich die Nägel machen lassen, einen dicken Lidstrich tragen und als Schmuckstück neben dir im Club oder wo auch immer stehen.

Aber wenn du eine Partnerin suchst, eine Mutter für deine Kinder, eine Frau, die immer gut aussieht, egal in welchem Outfit, eine Beraterin, eine Frau die dir den Rücken stärkt, jemanden, der an deiner Seite steht, einen Freund, der dir ehrlich ein Feedback gibt, jemanden, für den du dein letztes Hemd gibst, jemanden, den du blind vertrauen kannst und bei dem du dir sicher kannst, dass er dich nicht hängen lässt, dann können wir über uns reden. Aber für jemanden, der deine Rolex und dein Konto anhimmelt, suche dir bitte eine andere, denn das bin ich nicht.

Aus der Kategorie: wie schwer es ist einen Partner zu finden, wenn die Liebe der Jugend es nicht überstanden hat.



Montag, 5. November 2012
Erst mal Familie aufmischen.

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Ich habe die Tage geträumt, der Ex, der Nerd sei gestorben. Die Ex-Schwägerin-in-Spe schrieb mir eine sms, vielleicht telefonierten wir auch: N. stirbt! Hör doch, N stirbt! Ich raste zum Krankenhaus aber es wurde gerade evakuiert, wegen dem Sturm, die Aufzüge funktionierten schon nicht mehr. Ich rannte mit meinem kaputten Fuß die kleinen Treppenaufgänge auf und ab, fand ihn aber nicht. Dann stieß ich mit meiner Mutter zusammen. Sie arbeitete in diesem Krankenhaus, war voll und ganz mit der Evakuierung beschäftigt. Entsetzt schrie ich sie an: N. stirbt! Mama, N. stirbt! Oh Gott, wie schrecklich, antwortet sie. Mama, ich finde ihn nicht! Und er stirbt! Plötzlich wussten wir beide dass es schon zu spät sei. Alles um uns herum wurde ruhig, ich wunderte mich noch dass sie da jetzt gerade so gesund und agil ein Krankenhaus evakuieren kann und dabei es noch schafft voller Ruhe zu checken wie schlimm das jetzt für mich sein muss dass N stirbt. Es ist so schlimm, erst T., sein Cousin, und jetzt er! Ja, es ist furchbar,

sagte diese Frau, diese völlig wache, gesunde Frau die da mit der Evakuierung des Krankenhauses beschäftigt war. Ich machte drei Kreuze als der Wecker ging. Der Traum war vor drei Tagen.

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Die Ex-Schwägerin-in-spe textete mich heute nachmittag an: mal endlich wieder ein Bierchen zusammen? Ja gerne, sehr sehr gerne. Dieser Typ, diese Familie, das hängt nach, das geht nicht vorbei, damit bin ich verbunden, da hängt mein Herz dran.

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Der Onkel, dem ginge es nicht gut. Ich telefoniere fast zwei Stunden mit ihm und danach habe ich das Gefühl, ich habe was in meiner Familie gerettet. Aber die Geschichte um den kleinen Bruder meines Vaters ist jetzt zu ausschweifend.

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Familie. Du wirst in eine reingeboren, und es gibt diese anderen, die dich aufnehmen. Ich möchte mich als reich benennen dass ich schon jetzt von zwei Familien zu Weihnachten eingeladen bin, nachdem ich nur kurz erwähnte dass ich annehme, dass wir Weihnachten keine Familie mehr sind. Familie ist da, wo eine Mutter ist. Der Winter fängt gerade erst an und ich kann nicht absehen wie kalt es noch wird.

Viel Sport - es wird fast pervers wie fit ich bin - hält mein Herz warm. Und wieder mal erinnere ich mich an damals, als ich auch so durchtrainiert war und der Freundin damals noch erklärte: ich brauche diese Muskeln um mich herum, sonst breche ich zusammen.