Mittwoch, 13. März 2013
Am schönsten war es damals wenn der Nerd und ich Musik gehört haben. Wir konnten stundenlang auf der Couch liegen und einfach Musik hören. Manchmal haben wir - in meiner Erinnerung - stundenlang kaum gesprochen und einfach Musik gehört. Musik hören beim Nerd war stets in Top-Qualität möglich. Schon damals, als wir nur befreundet waren und er noch bei seinen Eltern wohnte. Diese ganze kleine Zimmer war mit einem dermaßen großartigen Soundsystem ausgestattet, man hätte eine ganze Halle damit beschallen können. Und wir stöberten in seinen Platten rum und hörten eine nach der anderen. Ich habe es von Anfang an geliebt mit ihm Musik zu hören. Wie heiß erwarteten wir unzählige Releasedaten. Und dann wurde für diesen Tag geplant und verabredet. Wer schafft es wann die Platte zu besorgen an dem Tag und wann treffen wir uns dann. Später in seiner Wohnung als wir ein Paar waren, hörten wir weiter. Alte Alben, neue Alben, stundenlang. Und auch wenn wir in Autos unterwegs waren, die ersten Jahre irgendwie dauernd irgendwo hier in der Gegend, später dann auf Urlaubsreisen, lief beste Musik rauf und runter. Oft gab ich ihm einen Hinweis, das und das müsste gut sein, hier und da kommt ein neues Album raus und er kümmerte sich dann um Details. Ich wies ihn beispielsweise einmal kurz auf Röyksopp hin, kurz danach hatte er alle Alben besorgt und unseren Favorit kann ich nicht mehr hören, weil zu viel schöne Erinnerung dranhängt. Überhaupt: es gibt ein paar Alben, die ich nicht mehr hören kann, weil ein zu krasses Gefühl für mich daran geheftet ist. Im laufe der letzten Jahre stellte ich dann aber auch fest, dass sich die meisten Erinnerungen dann doch irgendwann ausfühlen und man kann es wieder hören. Aber manche Alben brauchen länger.

Ich wollte eigentlich schreiben: ich würde mal gerne wieder mit dem Nerd Musik hören. Ja, der Nerd....der Nerd....Ich tue so als sei die Sache gegessen. Und würde ich nicht schreiben, könnte ich diese Fassade wahrscheinlich auch sehr gut aufrecht erhalten.

Wie geht das alles mit dem Leben? Wann kämpft man für was und wann zieht man einen Schlusstrich? Oder vielmehr: was ist mit den Sachen die genau dazwischen liegen? Ich habe Sorge dass ich keine Grauzone zulasse, dass ich nur schwarz weiß denke und handel, dass ich zu hart bin. Zu hart mit mir vielleicht. Aber anders kann ich die Komplexität nicht händeln, ohne oberflächlich zu werden. Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten, sagte mal jemand zu mir. Fällt mir gerade dazu so ein.

Mir ist das alles zu viel. Zehn Liegestützen.



Dienstag, 12. März 2013
Jetzt ist es wieder so weit: alles zu viel. Alles so furchtbar komplex. Ist ein bißchen anders zu viel als sonst.
Erst recherchiere ich für die Bierfreundin was im Netz (sie hat mir gestern erzählt dass sie schwer krank ist), stelle aber nach einer Stunde fest, dass das so heavy ist, dass ich hoffe dass sie noch nicht recherchiert hat und ich muss auch aufgeben, denn ich finde nichtmals eine ansprechende homoöp. Behandlung. Dann denke ich über die Besprechung heute nach. Überlege eine Mail dazu zu schreiben. Weiß nicht wo ich anfangen soll. Überlege weiter inwiefern da im Saftladen seit ein paar Monaten wirklich krasse Fehlentscheidungen getroffen werden. Gehe im Kopf Strukturen, Menschen und Positionen durch. Überlege weiter, an welchen Stellen ich welches Wissen wie einbringen könnte. Stelle dann fest, dass das auch ziemlich komplex ist, ich aufgrund meines Fachwissens zwar die strukturellen Herausforderungen erkennen kann, muss dann aber aufhören Lösungen zu finden, weil das alles viel zu krass politisch überlagert ist. Mir ist heute in der Besprechung nochmal klar geworden wie wenig unternehmerische und viel sehr mikropolitische Entscheidungen in dem Saftladen gefällt werden. Dann habe ich erst mal gespült. Und dann weiterüberlegt, dass ich das ganze Komplexe einfach mit Blick auf mich reduzieren muss. Ich muss diese Führungsposition einfordern, ich muss für mich die fette Gehaltserhöhung durchsetzen und ich muss ab Freitag Urlaub nehmen. Mehr muss ich in dem Saftladen gar nicht. Und der Bierfreundin muss ich einfach beistehen wenn die weiteren Laborergebnisse am Freitag eintrudeln. Zum Glück kenne ich zwei Fachärzte ziemlich gut die ihr sicherlich weiterhelfen können. Ich werde weder den Saftladen noch sie heilen können. Mist. Hätte beides gerne und mit Herz gemacht. (Liest sich jetzt wahrscheinlich irgendwie blöde, dass ich da diese beiden Sachen so in einen Pott werfe. Selbstverständlich liegt mir die Gesundheit und das Leben der Bierfreundin um Milliarden mehr am Herzen als der Auf- oder Untergang des Saftladens. Sind einfach nur die beiden Sachen die mich heute am meisten beschäftigt haben.)

Das einzige, was gerade nicht so komplex erscheint, ist die Situation mit meiner Mutter. War ja auch schon mal anders. Die Situation ist jetzt gerade so "normal traurig". Wie übel, denke ich mir gerade: ich bin schon daran gewöhnt wie sehr es weh tut dass sie so schwer krank ist. Was die Jahre halt so mit sich bringen...



Montag, 11. März 2013
Ohne Tränen ins Bett. Einfach nur schlafen.



Mein erster Eindruck über die neue Pflegefrau hat sich heute bestätigt. Diese Frau ist nicht nur auf Anhieb symphatisch, sie ist noch dazu sehr hübsch. Einfach eine schöne Frau. Die das auch noch on top aus dem Herzen ausstrahlt. Und dabei hat sie nichtmals tolle Kleidung nötig.
An dem Tag als sie letzte Woche anreiste, telefonierte ich abends mit meinem Vater und er hörte sich so seltsam positiv an. Mir ist in den letzten Tagen klar geworden: den Mann, den ich am besten kenne, ist mein Vater. Heute abend habe ich sie kennengelernt und habe auch mitbekommen, wie liebevoll mein Vater mit ihr umgeht. wow. wow.

Meiner Mutter geht es zunehmend schlechter. Sie magert ab. Ich umarme sie und spüre nur noch skin and bones. Es ist unglaublich wie sehr sie in den letzten zwei Wochen noch mehr kaputt gegangen ist. Plötzlich geht alles so rapide.

Alle sind sich einig, dass sie mich erkennt. Ich werde in meinem Urlaub öfter zu ihr fahren. Jeden Tag eine Umarmung. Ich möchte den Frühling, in den ich meine Mutter jeden Tag umarmte.