Sonntag, 12. Mai 2013
Wenn die guten Hormone regieren, macht das zwar auch nichts besser, aber ich komme wenigstens nicht richtig schlecht drauf.

Ich war beim Sport, ich war in der Sauna, ich habe vorher nach dem Ausschlafen augeräumt, geputzt usw. Es war gut. Nette Leute in der Muckibude, nette Leute in der Sauna. Man kennt mich mittlerweile. Woüberall hier und da ein netter Small-talk, Hilfe beim Pumpen (beim zweiten und dritten Satz brauche ich immer jmd der mir das Gewicht am Ende abnimmt, ich schaffe das dann nicht mehr alleine abzulegen), einen Platz kurz vorm Aufguss für mich freirücken und schließlich ein Parkplatz direkt vor meiner Haustür.

In der Sauna schaue ich in den Spiegel und sehe dass ich unheimlich erschöpft aussehe. Dasselbe Bild wie seit Monaten.

Jetzt sitze ich seit acht hier zu Hause, trinke Wein weil ich a) einen von meinem Vater gestern geschenkt bekommen habe, b) mir einbilde dass ich sparen muss und diese Biersauferei nicht günstig ist und c) Wein laut Lieblingsfreundin weniger Kalorien als Bier hat und ich meine Figur gern noch optimieren möchte. Ich saß zuerst im Wohnzimmer auf der Couch. Schön aufgeräumt alles und sehr gemütlich bei mir. Ich mag meine Wohnung. Ich hörte Musik. Auf twitter lese ich was so im Fernseher läuft. Ich mag Fernsehen nicht. Viel zu selten gefällt mir irgendeine Show, irgendeine Serie oder irgendein Film. Sonntagsmorgens im Bett gucke ich Fernsehen, ja, aber ansonsten mache ich selten - ist jetzt auch egal. Ich gehöre jedenfalls nicht zu den Menschen, die abends immer den Fernsehr anschalten. Ich hörte also Musik (Cohen), trank Wein, starrte aus dem Fenster. Schöne Aussicht, viel grün und das quasi in der Innenstadt. Vögelchen im Garten. Und da kam es dann wieder hoch, dieses Gefühl was pms direkt in eine Weltuntergangsstimmung katalysiert hätte: ich bin alleine. Ich bin viel zu viel allein. Was machen die anderen Menschen? Es fühlt sich an, als hätten alle einen Partner, nur ich nicht. Und dann die Sorge, die mir heute schon mal gedanklich überkam: die Angst immer alleine zu bleiben, nicht (mehr) beziehungsfähig zu sein, auf diesem Arbeiten-Sport-Sauna-Lebensstil hängen zu bleiben. Wenn es doch wenigstens Karriere wäre...Aber ich dümpel irgendwie so vor mir her. Die einen gründen eine Familie, die anderen machen Karriere und kaufen sich eine Eigentumswohnung.

Ich versuche mich von außen zu betrachten und mich selbst sy*stemisch zu ber*aten. Dann sieht das alles schon gar nicht mehr so schlecht aus. Dann erkenne ich an, was ich für mich in meinem Leben schon erreicht habe. Dann sehe ich nicht wie schlecht und erschöpft ich aussehe, sondern wie hübsch ich bin und was für tolle Haare ich habe. Dann finde ich das genau richtig und auch sogar verdammt cool wo ich zum Sport gehe, dass ich alleine in der Sauna komplett entspannen kann, was für eine gemütliche Wohnung ich mir eingerichtet habe, was für eine gute Entscheidung ich mit der Urlaubsbuchung ich traf und dass ich so gut gespart habe, dass ich mir das einfach leisten kann und wie gut ich mit mir umgehe, dass ich bei diesr krassen anstrengenden Phase Samstagsabends einfach einen auf ruhig mache um zeitig alleine in einen erholsamen Schlaf zu fallen.

Es bleibt ein schaler Beigeschmack. Oder sowas wie Zukunftsangst. Oder nicht-zu-genügen-Angst. Oder oder oder. Hautsache die Hormone spielen nicht noch ihren bösen Streich dazu. So lässt es sich wenigstens aushalten.



Samstag, 11. Mai 2013
Und was ist mit mir, frage ich mich als noch ein Drittel Bier zum Schreiben übrig bleibt.



Man Vater spinnt! Als suche er jetzt im Rentnerdasein eine neue Beschäftigung bzw hat er jetzt mehr Zeit für ein schon altes Hobby: die Vorstellung dass ihn alle über den Tisch ziehen wollen. Das lässt er sich natürlich überhaupt nicht gefallen! Dann ruft er erst mal da und da an und erkundigt sich und dann schreibt er das nächste Schreiben per Anwalt - jawohl!

Ganz aktuell geht es um die Physiopraxis die meine Mutter seine einigen Monaten therapiert einigermaßen beweglich hält. Er muss immer das komplette Rezept vorab unterschreiben und zwar ohne Datumsangabe. Ja klar, kläre ich ihn auf, das machen die da immer so, die tragen dann die Daten so ein, dass sie es gut abrechnen können. Das ist Dokumentenfälschung!, erwidert er. Nein, Papa, so können die das Rezept bei Kassenpatienten optimal ausnutzen. Weiß auch nciht genau wie das mit dem Abrechnen da geht, aber ich glaube die Behandlungen müssen laut Kasse in dem und dem (oft völlig sinnentfremdet) Zeitraum abgehandelt werden und die Praxis optimiert das einfach. Nein, die rechnen mehr ab als wir bekommen!, erwidert er, und weiter er hätte gar keinen Überblick mehr, alle wollten Geld von ihm! Er hätte dem Frank (Inhaber der Praxis) schon gesagt, dass das so nicht ginge, dass er vernünftige Rechnungen will.

Wie gesagt: der Frank. Es handelt sich um eine Praxis in der Nähe meines Elternhauses, "der Frank" und auch sein Vater haben schon meine komplette Verwandtschaft in Behandlung gehabt. Da vorne im Ort. Da vorne wo meine Mutter herkommt, da vorne wo meine Eltern alle kennen. Als ich feststellte, dass mein Vater es nicht rafft was ich ihm erklären will (nun gut, er ist privat versichert, er weiß nicht wie das bei uns Kassenpatienten abgeht) formulierte ich es ihm ganz plastisch: pass auf Papa, ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass der Frank dich nicht abziehen will. Und weiter: jetzt mal nur vom reinen Menschenverstand her gedacht angenommen, der würde dich übers Ohr hauen, dann würdest du das morgen im Ort beim Einkaufen erzählen, dann würde nach zwei Tagen ganz [Ortsbezeichnung] darüber sprechen, dass der Frank den [Namen von meinem Vater] abgezogen hat, wo der doch so arm dran ist weil die [Vorname meiner Mutter ] doch so schwer krank ist - Papa, dir ist doch klar dass der sich das nicht leisten kann, oder? Und noch einen drauf: du hast mit dem schon bei Festen zusammen am Bierstand gestanden und als mein Fuß kaputt war, hat er ganz selbstverständlich das doppelte an Behandlung erbracht als was auf meinem Kassenrezept stand.

Vielleicht hat er es verstanden. Orrrr, sehe mich fast gezwungen Frank anzurufen und kurz zu briefen. Ach quatsch, ich geh einfach kurz zum nächsten Pfarrfest in dem Ort und trink n Bier mit dem.



Donnerstag, 9. Mai 2013
Im Lokalteil der Zeitung gibt es eine Rubrik so nach dem Motto "Engel". Da kann man dann hinschreiben, wenn jemand Fremdes einem irgendwo in einer Notsituation geholfen hat und man nicht ins Danke-Gespräch kam und sich jetzt bedanken möchte. Überflieg ich immer so. Ich überflieg generell die Zeitung, btw. Besonders seitdem es zu einem wirklichen Käseblatt geworden ist und die Rubrik "Horoskop" aufgenommen wurde. Offen gesagt: das Horoskop lese ich. Nun denn. Heute morgen überflog ich wieder dieses Engel-Gedöne und was ich da las, war ziemlich eindeutig meine Nichte. Es ging um einen Unfall in dem ein Kind verletzt und ins Krankenhaus gebracht wurde und die Oma einfach am Unfallort ziemlich verwirrt zurückgelassen wurde. In dem Artikel wird eine junge Frau beschrieben (mit der Behinderung, die meine Nichte hat, und auch Haarfarbe stimmt), die den Unfall zwar nicht mitbekommen hatte, sich aber um diese Oma kümmerte, ihr die Hand hielt, sie am Arm streichelte und beruhigte weil "sie wohl einfach Zeit hatte". Erst mal meine Nichte antexten, ob wir uns morgen spontan treffen sollen. Weil ich frei habe.

Sie kann das. Ihre emphatischen Kompetenzen sind enorm.



Wimpern gefärbt. gtd.

Mir fällt auf: es ist seit ein paar Tagen das erste Mal in diesem Jahr, dass ich sagen kann: mir geht es gut. Die zwei drei Menschen denen ich das ich erzähle, antworte alle mit: oh, das ist gut. Ich füge hinzu: es ist Mai. Ich mag das, dass die Menschen, denen ich sowas erzähle nicht sehen dass schon Mai ist, sondern sich wirklich freuen dass es mir besser geht. Ich mag das, dass ich Menschen in meinem nächsten Umfeld schätzen kann, die das so sehen.

Die Tankstellenproblematik hält an! Schon wieder eine neue Mitarbeiterin die ich einarbeiten muss! Dass sie nicht weiß welche Schachtel Zigaretten ich immer nehme ist halb so wild, aber dass sie Bier von vorne auffüllt, konnte ich dann doch nicht unkommentiert stehen lassen. Ich fragte beim Zahlen einfach, ob ich einen Verbesserungsvorschlag machen dürfe. Sie wurde leicht nervös - einer ihrer ersten Arbeitstage und die Chefin (btw noch keine dreißig) war gerade in den Nebenraum verschwunden (und machte die Tür hinter sich zu, sonst hätte ich auch nichts gesagt). Ja, klar, gerne Verbesserungsvorschlag! sagte sie leicht zögerlich, sah dann aber mein freundliches Gesicht. Das ist angenehmer für den Kunden wenn das Bier von hinten aufgefüllt wird, denn dann steht das Kalte vorne. Oh, ja, selbstverständlich, das mache sie sonst auch, antwortete sie sehr enthusiasmisch, aber jetzt sei es gerade so stressig gewesen. Null Kunden außer mir in Reichweite, so fügte sie hinzu, dass man ja generell von hinten auffüllen würde, das wisse sie, fügte sie fachmännisch hinzu. Wir lächelten uns an und ich glaube sie hat verstanden. Wir werden sehen.

Obergeil: als ich eben mit meinem Vater telefonierte, fragte ich ihn (als alle wichtigen Themen durch waren und es thematisch passte) ob denn die Tochter von seiner Perle jetzt eine neue Stelle gefunden hätte. (Es handelt sich um das Mädel was in meinem Elternhaus am Weihnachtstisch saß, der aufmerksame Leser erinnert sich sicherlich). Ja, also morgen, ach nee also Freitag würden da Gespräche laufen. Und dann erzählte er dass sie neulich mit beim Kegeln war und einen Bauer und das-und-das geworfen hätte, hintereinander! und beim dritten Wurf sei er zu ihr gegangen und hätte gesehen, dass sie einen hochroten Kopf gehabt hätte, dass sie sich unendlich unter Druck gesetzt hätte. Also diese Sache mit dem Erfolgsdruck, du musst gewinnnen, du musst was leisten, also ganz schlimm bei diesem Mädchen. So unendlich leid würde ihm das tun. Er sagte ihr dann auch, dass es hier um Spaß und nicht um Erfolg ginge.
Papa? Irgendwas gecheckt?
Am Ende fügte er dann aber noch hinzu, dass wenn ich mal Lust und Zeit hätte auch gerne mitkommen könne, dann solle ich unbedingt bescheid sagen. Ja, so ist das. Sie ist ja so toll, sie hat im Ausland studiert, und wieviel Fremdsprachen sie fließend spricht - das glauben Sie gar nicht! Naja, unterm Strich bin ich präsentabler in so einer Kegelrunde bei meinem Vater. Nun gut. Das Mädel und ich hatten Weihnachten Handynr ausgetauscht (weil ich irgendeinen scheiß über whats-sie-wissen-schon rüber schicken sollte/wollte) und so werde ich ihr Fr morgen einen lieben Daumen-drück-Gruß schicken. Die Wahrheit ist einfach: ich war echt Weihnachten überrascht wie symphatisch sie ist und auch ihre Mutter, die Perle von meinem Vater, ist nicht wirklich schlecht. Unter den Umständen was da in meiner Ursprungsfamilie abgeht, ist das schon alles wirklich gut. Nur doof dass ich beim Stichwort Familie keine eigene außer meine Ursprungsfamilie nennen kann.

"Be the person u want to meet"