Donnerstag, 23. Mai 2013
Heute neu entdeckt und in Scheife: angus stones - wooden chairs

....in your fathers tears, an all your mothers pains....



Vom du und sie
Der Inhalt des Folgenden eignet sich eigentlich bestens, um mal einen ordentlichen, guten Text zu schreiben, aber nun gut, ich schreibe runter, die guten Texte gehören den anderen. Es sei ihnen gegönnt.
Gerade an der Tanke beim Zigarettenholen stellte ich etwas besonderes fest: der Herr Verkäufer siezte mich, obwohl ich an dieser Stelle ein du angebracht finde.
Ich duze ungern. Ich habe von meinen Eltern siezen gelernt und auch in dem Saftladen, in dem ich nun schon seit sechs Jahren arbeite, siezt man in erster Linie. In den Jobs vorher war ab der ersten Minuten stets alles beim Du. Und es war auch nicht besser. Ich mag siezen. Es hat was von Abstand, es hat was von Respekt. Mittlerweile, im Laufe der Jahre, musste sich in dem Saftladen das ein oder andere Du ergeben, aber mit meinen engsten Verbündeten bin ich doch per Sie. Und das gegenseitige Vertrauen ist unglaublich. Ich duze mich mit einer Frau aus der allerobersten Etage, sie bot es mir irgendwann an. Sie ist lesbig (!). Lesbige Frauen mögen mich, wahrscheinlich weil ich nie genau preisgebe, wo ich hingehöre. (Noch Sonntagnacht wurde ich in einem Club angesprochen, ob ich lesisch sei. Ich mag sowas.) Diese Frau von da oben kennt mich aber auch schon seit meiner ersten Stunde in dem Saftladen und weiß vllt auch einfach über meine Kompetenzen. Wir sind einfach irgendwie unausgesprochen dicke, sprich: vertraut. Ich habe im Laufe der Jahre einfach festgestellt, dass ein Du oder ein Sie nichts aber auch rein gar nichts über die Beziehung, das Vertrauenverhältnis aussagt. Und der Kreis derer, mit denen ich mich duze und dabei ein großes Vertrauensverhältnis pflege, ist extrem klein im Gegensatz zu denen, mit denen ich mich sieze.
Im ersten Kontakt sieze ich jeden und ich habe festgestellt, dass ich sogar Kneipenbekanntschaften erst mal sieze. Es sei denn sie könnten meine Söhne sein. Obwohl...fast sogar dann....Dabei fällt mir btw ein, dass es wohl schon recht gut ist, dass ich seit diesem Jahr aufgehört habe, irgendwas für eine Nacht aufzureißen. Meine Güte - es fehlt nicht viel und das könnten meine Söhne sein!!
Ich habe das Siezen also zu Hause gelernt. Ich gehöre noch zu der Generation in der man die Eltern der (Kindergarten- oder Schul)Freunde siezte. Ich beobachte, dass das heutzutage ganz anders gehandhabt wird. Und ich frage mich wie das bei mir mal wird, wenn ich noch Mutter werden sollte. Ich werde doch nicht jede andere Kindergartenmutti einfach so duzen! Ich habe auch beobachtet, dass ich alte Freunde meiner Eltern wie gelernt sieze und diese nun ankommen und mir sagen, dass ich doch bitte du sagen solle, man kenne sich doch schon ewig. Das fühlt sich jetzt wie ok....ich meine, es kommen eh nur noch die Freunde meiner Eltern vorbei, die wirkliche Freunde sind...einige mögen nicht mehr kommen, seitdem meine Mutter so schwer erkrankt ist....

Jedenfalls! siezte mich der Verkäufer an der Tanke eben und ich finde eben wir sind längst beim du. Aus meiner Sicht arbeitet er dort, seitdem ich hier wohne, und das sind mittlerweile elf Jahre. Er kennt alles von mir. Den Ex, ein paar andere Typen, mich völlig fertig nach der Arbeit, mich in Laufshorts, mich im Ausgehlook, mich völlig betrunken - er kennt mich einfach. Mit meiner eckarte stimmte vorhin irgendwas nicht, irgendein Verbindungsfehler oder so (meine Karte sind stets gedeckt, aber das ahnt der aufmerksame Leser gewiss) und wir mussten kurz die Karte nochmal einstecken und dann war irgendwas mit Unterschrift und so. Zuerst fragte er einfach nur zur Begrüßung ob ich die Maxibigbox nehme und fragte dann nochmal, ob das denn mit dem Laufen zusammen klar gehen würde (wir grüßten uns kurz zu als ich den Endspurt meines gr Laufen entgegenrannte), und ich antwortete, dass ich ja genau deswegen so viel laufen würde. Als es dann Zahlungskomplikationen mit der Karte gab, siezte er mich ganz professionell. Dann kam mein neuer Tanke-Schatz Julian dazu! (Bei einem ordentlichen, vorbereiteten Text hätte ich das jetzt verlinkt - der treue Leser erinnert sich sicherlich an den Süßen, der erst ncoh stotterte). Er zwinkerte mit einem Lächeln ein Hi dazu. Jedenfalls hätte der andere, der alte Tankejunge, mich heute einfach duzen können.

Ach man, im nächsten Leben schreibe ich schöne Texte. Auch über du und sie.



Wahrscheinlich bin ich einfach die geborene Läuferin. Nachdem dass jetzt so gut klappte mit dem neu gelernten Laufstil, musste ich das heute wieder ausprobieren, völlig fertig, völlig regelschmerzig. Und, was soll ich sagen: es läuft. Ich kann es wieder. Ich kann wieder einfach eine Stunde laufen. Im Urlaub werde ich es weiter ausprobieren, mal sehen ob ich auch wieder einfach knapp zwanzig km laufen kann. Also jetzt nicht so richtig einfach, schon mit kämpfen, aber ob es noch klappt, so wie früher, immer sonntags. Ob es klappt ohne Schmerzen. Ich freue mich drauf.



Heute habe ich es zum ersten Mal ganz deutlich gespürt, so sehr, dass ich meine im Hinterkopf zurechtgelegte Verhandlungspredigt nicht ausholte, weil ich Angst hatte, dass er anfängt zu weinen: ich habe Mitleid mit meinem Chef. Er tut mir einfach leid. Er hat nichts mehr im Griff. Und ich bin diejenige die das nicht nur sieht, sondern ihm auch sagt. hm (tbc)



Dienstag, 21. Mai 2013
Es ist schon wieder soweit: alles zu viel. Viel zu viel.

Ich habe die Bewerbung endlich noch abgeschickt und jetzt habe ich fast Angst die Stelle zu bekommen. Ich müsste großartig pendeln oder doch umziehen.

Samstag abend war ich auf einer Party. Es war schön, ich habe nette Leute getroffen und mich wirklich gut unterhalten können. Da waren vielleicht zwanzig Leute. Alle verheiratet, die meisten mit Kindern. Ich traf jemanden von früher, der kleine Bruder von meiner besten Freundin als ich fünfzehn war. Er hat eine sympathische Frau und ein süßes Kind. Nachdem er mich vorgestellt hatte, schaute er suchend um mich herum und fragte nach meiner Familie.

Ich habe den Typen aus der Muckibude (hier schon mal erwähnt) Samstag beim Sport und Sonntag per Zufall getroffen. In der Sauna nackt oder beim Sport kommt er anders rüber als auf dem Weg zu einer Party. Ist ein netter Kerl, keine Frage, auch freundlich und höflich, aber das ist nix und wird auch nix.

Nach der Besprechung heute wurde ich schlagartig depri. Alles so hohl. Alles so ungerecht. Alles so hinterfotzig. Jetzt endlich zu Hause fließen die Tränen die ich seit heute mittag unterdrücke. Und es fühlt sich alles so aussichtslos an. Ich fühle mich so wrackig. So sehr seelisch kaputt, dass es zu anstrengend ist, den Blick so zu drehen, dass alles nicht so schwarz oder grau in grau aussieht. Die Angst nie mehr jobtechnisch glücklich zu werden. Ich erwarte vielleicht einfach zu viel. Aber ich kann das auch nicht abstellen. Vielleicht gibt es gar keine Stelle mit Wertschätzung. Vielleicht bin ich einfach zu sehr kaputt für Berufsleben. Das sind bestimmt diese Anpassungsstörungen, die immer auf meiner Überweisung zur Therapie standen.
Dazu gehört bestimmt auch, dass ich alleine und wahrscheinlich gar nicht mehr beziehungsfähig bin. Ich war Sonntag zufällig letzten Endes auf der Party des örtlichen Fuballvereins gelandet, also in dem Club, in dem die Spieler den Nicht-Abstieg feierten. Es war so halb geschlossene Gesellschaft. Der kleine Raum war voller junger hübscher Männer. Ich habe nicht mals versucht zu flirten. Ich habe einfach nur getanzt ohne nach links und rechts zu schauen. Ich bin so zahm geworden, male mir aus, dass es Pluspunkte auf dem Karmakonto gibt wenn ich nichts mehr für eine Nacht aufreiße. Habe ich auch dieses Jahr noch nicht gemacht. Aber eigentlich ändert das auch nichts.
Ich freue mich auf den Urlaub, aber ich traue mich schon fast gar nicht mehr mich zu sehr zu freuen, die Wahrscheinlichkeit dass auch das ohne Highlights an mir vorbeizieht rechnet sich gerade so hoch.

Ich kann das alles gerade nichtmals unter pms abhaken. Das fiel dieses Mal aus.



Samstag, 18. Mai 2013
Abende wie heute sind Luxus, denn ich weiß nicht worüber ich schreiben soll, so für den Tagebuchstil. Hatte mir eben kurz überlegt, mich in die Abizeit zurück zu denken, mich reinzudenken wie schrecklich zu der Zeit alles war und warum das Abi deswegen gar nicht so schlecht ist. Aber ich mochte nicht. Zu gut gehts mir als dass ich Lust auf alte Wunden lecken habe. Warum gehts mir gut, denke ich mir dann weiter. Auf der Arbeit ist es nach wie vor murx, die spinnen alle. Termine mit Chef heute zusammen waren natürlich erfolgreich. Ihm fielen zufällig meine Zahlen vom letzen Jahr in die Hand. Er schaute mich erstaunt an, da sie so gut waren. Ob ich das gewusste hätte. Nee, zeigen Sie mal, ah, wow, aber nee, wusste ich nicht, haben Sie mir nie gezeigt. Ja warum ist uns das denn nicht aufgefallen?, fragt er mich mit großen Augen anschauend. Weil Sie nicht sehen wie gut ich bin, antwortete ich trocken und dabei authentisch. Aber ich mag weiter nichts über den Saftladen schreiben. Das Laufthema ist auch durch. Urlaubsvorfreude wahrscheinlich auch: also ich freue mich einfach riesig. Ich habe was wirklich Gutes gebucht. Ich habe Erholung gebucht. Es wird nicht oberheiß und ich recherchiere schon Wanderungen. Es wird gut. Die kleine Sorge im Hinterkopf dass ich irgendeinen Parameter vergesse, der es nicht gut werden lässt. Ich wüsste nicht was - ich meine: ich fahre alleine ;-) Krank werden höchstens, aber ich glaube das habe ich weitestgehend im Griff. Notfalls mache ich ein paar Tage vorher krank auf der Arbeit. Nein, es wird wahrscheinlich einfach gut. Meine Mutter könnte vorher oder währenddessen sterben, aber den Gedanken habe ich schon durchgespielt: ich würde trotzdem fahren. Höchstwahrscheinlich trotzdem. Naja, ist ja auch egal. Ihr gehts wieder besser btw, sie wurde heute zur Reha verlegt.

Also gut, ich habe den Luxus dass ich nicht wegen irgendwas gerade akut verzweifele und es runterschreiben muss, der Wein oder aber auch Bier steht kalt, das We fängt gerade erst an: die Chance, einen guten Text zu schreiben. Ich habe auch ein Thema im Hinterkopf. Ähnlich wie einen Traum. Das mal in Worte fassen. Wird nicht ganz so klappen, weil ich dann ja doch letzten Endes runterschreibe, aber mal sehen...(tbc)



Ha! gtd! Der dicke Umschlag an die Steuerberaterin ist zugeklebt (2012 und 2011, ähem), die Bewerbung zum Korrekturlesen rausgeschickt, die Zeugnisse zum einscannen zusammengesucht und die Anmeldung zur weiteren Fortbildung (quasi Aufbaukurs) wird gleich online durchgeklickt.

Beim Raussuchen der Zeugnisse fiel mir mein Abiturzeugnis in die Hand. Oder vielmehr eine beglaubigte Kopie (das Orginal lag jetzt irgendwie nicht in der Mappe...). Da ich es mir seit dem Abitur nicht mehr angeschaut habe, blätterte ich es mal kurz auf. Mein Abi ist gar nicht 3,2 wie ich immer dachte, es ist 3,1! Erst mal kurze Freude. Dann suchte ich die Legende, denn wieviel Punkte welche Note bedeuten, habe ich mir noch nie gemerkt. Ich wusste immer nur: fünf Punkte müssen es mindestens sein, dann bist du durch. Ich las die Legende, schaute mir die Fächer und Noten an. Die große Enttäuschung kam direkt wieder hoch, als hätte ich das Zeugnis heute nachmittag überreicht bekommen. Kunst und Sport waren die einzigen Fächer, in denen ich in der gesamten Oberstufe eine zweistellige Punktzahl erreicht hatte. Nichtmals in Französich waren mehr als acht Punkte drin. Wie schlimm enttäuscht war ich damals, denn wie sehr hatte ich gelernt, wie sehr hatte ich mich bemüht, besonders im letzten Jahr.
Ein kleiner Stich fährt durch mein Herz, tut es doch immer noch ein bißchen weh. Ist es doch wieder eines dieser üblichen Abläufe in meinem Leben: sich ganz feste anstrengen aber mehr als unterer Durchschnitt kommt nicht dabei rum. Nichtmals die jahrelange Beteiligung im Schulorchester wurde unter Bemerkungen notiert. Wie wertschätzungsarm. Da helfen auch die zehn Punkte in der mündlichen Französischprüfung nicht. Aber gut, das habe ich dann vielleicht fürs Leben gelernt.

Eigentlich wollte ich was ganz anderes erzählen! Ich habe nämlich Latinum, Graecum und Hebraicum, weil schlicht der zeugnisausfüllende Lehrer oder Mitarbeiter oder wer auch immer vergessen hat das durchzustreichen! Ich lache immer noch darüber. Wie geil das damals war, als mein Vater da auf seinem Platz am Esstisch sitzend sich ehrfürchtig das Abiturzeugnis genaustens anschaute (er war stolz weil einfach Abi, meine Eltern habe beide kein Abi, in deren Familie auch kaum jemand) und durchlas und mich dann stolz anschaute und mir zu den drei Auszeichnungen gratulierte. Also wie toll ich das dann ja noch mit Latein geschafft hätte! und von den anderen beiden Fächern wusste er ja gar nichts!, was für ein tolles Abiturzeugnis! Ich hatte mir nach dem Blick auf die enttäuschende Gesamtnote das ganze Dokument gar nicht genaustens angeschaut und nahm es ihm ungläubig aus der Hand. Tatsache. Ich hatte irgendwo gehört, dass das Abiturzeugnis fünf Jahre lang antastbar ist, danach nicht mehr. Ich erzählte das meinem Vater und wir gaben uns nur das Zeichen bei dem man den Zeigefinger auf den Mund legt und hielten fünf Jahre lang den Mund und sagten niemandem was. Ich wäre wegen Latein beinahe nicht in die Oberstufe gekommen. Ich kann höchstens den a-c-i, aber das wars.