Sonntag, 29. April 2018
Also Sie müssen sich jetzt auch darauf einstellen, dass Ihre Frau bald stirbt, hätte die Palliativfrau gesagt, erzählt mir mein Vater. Was denn sei wenn sie gar nicht mehr schlucken könnte, nichtmals mehr das kleine Frühstück, was zurzeit noch so gerade eben klappt, sie ihr keine Medikamente mehr könnten, fragte er sie darauf. Dann werden wir sie sedieren, dann wird sie einschlafen und dann werden wir sie auch nicht wiederholen.

Das haben die Palliativfrau und mein Vater so gesprochen, und als mein Vater mir das erzählt, spricht er alles ganz deutlich aus: se-die-ren. Nicht mehr wie-der-holen. Se-die-ren. Er sagt mir das vor wie die Grundschullehrerin früher Diktate aufsagte, ganz deutlich gesprochen und Silbe für Silbe, so dass wir Grundschüler das auch genau verstehen und mitschreibenzu wissen. Se-die-ren.

Ich muss an den netten Tierarzt denken. In ählicher Weise erklärt er Vorgehensweise bzgl des kleinen Streunerkaters. So erklärt er wahrscheinlich auch Tierbesitzern, wie das jetzt abläuft wenn man das Tier einschläfern muss. Wir werden Ihren Wuffi se-die-ren. Er spürt dann nichts mehr und wird dann einschlafen. Ein-schla-fen.

Wollte was anderes (so unendlich viel) aufschreiben, aber jetzt fällt mir ein wie unser Kater von früher eingeschläfert wurde (ich war 18 oder so). Ich fragte meinen Vater genau was der Tierarzt noch gesagt hätte und so und er erzählte u.a dass er dann am Ende gefragt hätte wie das mit der Entsorgung gehen würde und dann erklärte der Tierarzt dass die Praxis das übernehmen würde. Ent-sor-gung. An was für ne Scheiße ich mich erinnere.



Samstag, 30. Dezember 2017
Ich sitze am Schreibtisch, also seit dem Schloss habe ich ja wieder einen Schreibtisch (sogar in einem Arbeitszimmer), nicht mehr die Bank in der Küche, die steht etwas verloren mit dem ehemaligen Esstisch in der Eingangshalle.
Ich sitze also am Schreibtisch und möchte etwas schneiden, ich greife in die Box und nehme meine Schere raus. Wie gut sie schneidet! Wie gut sie noch schneidet! Es ist die Schere, die meine Mutter gekauft hatte, als ich eingeschult wurde. Ich nehme an sie war teuer. Ich erinnere mich sogar noch, wie wir, also meine Mutter mit mir, die Sachen für die Schule einkaufte und zusammenlegte: das sei die gute Schere. Und sie klebte ein kleines Zettelchen drauf, auf das sie meinen Namen schrieb.

Das Zettelchen klebt immer noch, nur mein Name ist nicht mehr lesbar. Die Schere schneidet wie am ersten Tag.



Mittwoch, 18. Oktober 2017
Heute vor fünfzig Jahren haben sich meine Eltern kennengelernt. Krankenschein und Bier und natürlich: alles zuviel.

Bleibt alles anders.